Kein Start bei WM in Budapest Warum der Ausfall von Mihambo für die deutsche Leichtathletik ein Desaster ist
Analyse | Düsseldorf · Die zweifache Weltmeisterin Malaika Mihambo kann bei der Leichtathletik-WM in Budapest ihren Titel im Weitsprung nicht verteidigen. Für den deutschen Verband ist das aus mehreren Gründen fatal.
Man musste es schon befürchten, dass die Verletzung schwerwiegend sein wird – zumindest zu schwer für einen Start bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Budapest (19. bis 27. August). Malaika Mihambo war beim Anlauf für ihren nächsten Versuch bei den Deutschen Meisterschaften im Weitsprung durchgelaufen und saß mit verzweifeltem Blick etwas abseits der Sandgrube. Am Mittwoch stellte sich heraus: Muskelfaserriss, Saison-Aus, kein WM-Start. Viel schlimmer hätte es kaum kommen können für die zweimalige Weltmeisterin – und auch nicht für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV). Auch wenn die Konkurrenz bei Großveranstaltungen groß ist, immer alles passen muss – eine Medaille von Mihambo war für die Welttitelkämpfe in der ungarischen Hauptstadt fest eingeplant. Daraus wird nun nichts.
„Auf Malaika bei der WM in Budapest verzichten zu müssen, ist für uns ein herber Schlag“, sagte DLV-Cheftrainerin Annett Stein nach der Absage des deutschen Stars. Zwar betonte sie, dass diese Entscheidung vor allem für die Zukunft wichtig sei, schließlich stehen im kommenden Jahr bereits die Olympischen Spiele in Paris an. Doch für die Gegenwart ist sie eine Katastrophe.
Das Weitsprung-Finale steht bei der WM bereits am zweiten Tag auf dem Programm. Eine Medaille von Mihambo hätte den Druck vom gesamten Team nehmen und Euphorie entfachen können. Ein Jahr nach dem indiskutablen Abschneiden bei der WM in Eugene wäre dies besonders wichtig gewesen. Gerade mal zwei Medaillen standen in den USA am Ende zu Buche. Neben der von Mihambo die immerhin starke Bronze-Medaille der deutschen Sprint-Frauen in der Staffel. „40 bis 45 Prozent“ der Aktiven hätten damals ihr Leistungsvermögen nicht abgerufen, sagte DLV-Chefbundestrainerin Annett Stein damals. 46 der 80 Sportler und Sportlerinnen scheiterten in der ersten Runde, nur sieben kamen unter die besten acht.
Auch deshalb hatte sie selbst den Grundtenor verschärft. „Was ich versprechen kann, ist, dass die Mannschaft leistungsfähiger sein wird“, sagte sie schon vor den Deutschen Meisterschaften in Kassel. Sie begründete dies damit, dass die Leistungsnachweise für eine Nominierung bis zum 30. Juli und damit recht nah an der WM erbracht werden müssen. „Das ist für uns die Garantie, dass wir Athleten nominieren, die zwar nicht medaillenfähig sind, aber leistungsfähig im internationalen Kontext.“
Am Ende zählen aber bekanntlich nur die Medaillen. Im internationalen Vergleich sowieso, aber auch für die finanzielle Förderung der Sportarten durch den Deutschen Bund. Je erfolgreicher man bei wichtigen Wettkämpfen ist, desto mehr Geld gibt es. Die Leichtathletik profitiert noch von längst vergangenen Erfolgen, diese wurden über die Jahre immer weniger. 2015 in Peking holten die deutschen Leichtathleten und Leichtathletinnen noch insgesamt acht Medaillen, 2017 in London fünf, 2019 in Doha sechs – und in Eugene eben nur noch zwei.
Und nun in Budapest? Da droht ein weiteres Debakel. Zwar stehen vor allem mit den Zehnkämpfern Niklas Kaul und Leo Neugebauer zwei große Medaillenhoffnungen am Start. Auch Speerwerfer Julian Weber dürfte um Gold, Silber und Bronze mitwerfen. Alle drei sind aber erst an den Schlusstagen gefordert. Die Mannschaft zuvor auf ein Hoch heben werden sie nicht. Und es besteht zumindest die Gefahr, dass die schlechte Stimmung nach einer schwachen WM auch sie übermannt.
Hinter den drei starken Männern wird es dünn. „In manchen Disziplinen ist die Breite in der Spitze nicht befriedigend. Da haben wir nur eine Leistungsträgerin oder einen Leistungsträger“, sagte Chefbundestrainerin Annett Stein kürzlich. Wobei selbst die Leistungsträger im internationalen Vergleich oft nur hinterherrennen, stoßen oder werfen.
Sprinterin Gina Lückenkemper, die im vergangenen Jahr zum Gold-Quartett bei der WM gehörte und wenig später auch Europameisterin wurde, wird gegen die absoluten Topstars um die Jamaikanerin Shelly-Ann Fraser-Pryce oder die US-Amerikanerin Sha’Carri Richardson über die 100 Meter in Budapest keine Medaillenchance haben. Hochspringer Tobias Potye, der vor wenigen Tagen mit 2,34 Meter eine neue persönliche Bestleistung aufstellte, müsste einen herausragenden Tag in Budapest erwischen. Die ehemalige Speerwurf-Europameisterin Christin Hussong ist weit entfernt von früheren Bestweiten und auch die Läuferinnen wie Europameisterin Konstanze Klosterhalfen oder Hindernis-Vize-Europameisterin Lea Meyer werden auf Weltniveau nur schwerlich um Medaillen mitlaufen.
Auf dem Weg zum DLV-Ziel, bis 2028 wieder zu den besten fünf Nationen zu gehören, ist die WM in Budapest zwar nur ein Zwischenschritt. Mit dem Ausfall von Mihambo könnte er aber ein weiterer schmerzhafter sein – wenn nicht manche Athleten über sich hinauswachsen.