Leichtathletik-WM in London Speerwurf-Trio auf Medaillenjagd

London · Johannes Vetter führt die Jahres-Weltbestenliste an. Olympiasieger Thomas Röhler ist Zweiter vor Andreas Hofmann. Am Donnerstag müssen sie bei der WM in London die Qualifikation überstehen. Der Traum am Samstag: Gold, Silber und Bronze.

 Johannes Vetter, Thomas Röhler und Andreas Hofmann (v.l.) träumen von WM-Medaillen.

Johannes Vetter, Thomas Röhler und Andreas Hofmann (v.l.) träumen von WM-Medaillen.

Foto: dpa, fis sab fdt

Wenn es möglich wäre, hätte der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) seine Speerwerfer in diesen Tagen wohl am liebsten dick in Watte eingepackt und sie erst zum Wettkampf in London wieder ausgepackt. Denn Thomas Röhler, Johannes Vetter und Andreas Hofmann sind das Meißner Porzellan im deutschen Aufgebot bei der WM. Das Tafelsilber, das Gold holen soll. Und dazu gerne auch noch Silber und Bronze. Schließlich gehen die drei als Führende der Weltjahresbestenliste an den Start. "Wir wollen gewaltig vorne mitmischen und die Konkurrenz hinter uns lassen. Das ist unser Anspruch", sagt dann auch Bundestrainer Boris Obergföll, der Mann von Ex-Speerwurf-Weltmeisterin Christina Obergföll.

Heute Abend (ab 20.05 Uhr deutscher Zeit) steht zuächst die Qualifikation an, aber dass das Trio die geforderten 83 Meter nicht schaffen könnte, scheint kaum vorstellbar bei ihren Bestweiten: Vetter steht bei 94,44 Metern (Deutscher Rekord), Rio-Olympiasieger Röhler bei 93,30, und Hofmann immerhin auch bei 88,79. "Wir schreiben gerade weltweit Geschichte", findet Röhler angesichts dieser Dominanz. Und die soll im ersten WM-Titel seit Matthias de Zordo, der 2011 in Daegu (Südkorea) triumphierte, münden. Mehr als eine Medaille für deutsche Speerwerfer bei einer WM gab es übrigens noch nie.

Eine, die die Leistungen des Trios sehr gut einordnen kann, ist Linda Stahl. Die Leverkusenerin holte 2012 in London Olympia-Bronze im Speerwurf und war 2010 Europameisterin. Im Vorjahr beendete sie ihre Karriere und arbeitet heute als Urologin im Klinikum Leverkusen. Die 31-Jährige sagt: "Thomas beim Werfen zuzusehen, ist ein Genuss. So eine Technik hätte ich auch gerne gehabt. Johannes hat deutlich mehr Kraft und sich technisch auch deutlich verbessert. Und Andreas hat eindeutig die längsten Arme, wenn er die einsetzt, wird da einiges gehen."

Für ein reines deutsches Treppchen in London am Samstagabend (ab 21.15 Uhr deutscher Zeit) müsse "alles passen. Das wäre der Wahnsinn." Zuzutrauen wäre es den drei Deutschen aber in einer Saison, in der die Superlative nur so purzeln. Und das nährt die Hoffnung, dass auch die Bestmarke im Speerwurf nach 21 Jahren mal purzeln könnte: der Weltrekord des Tschechen Jan Zelesny. 98,48 Meter, aufgestellt 1996 in Jena, Röhlers Heimat.

Stahl traut Vetter und Röhler jedenfalls zu, diese Marke in naher Zukunft zu übertreffen. "Thomas ist konstanter, und aus der Konstanz kann man einen perfekten Wurf erwischen. Johannes hat diese unglaubliche Kraft. Wenn er einen Wurf perfekt trifft, kann der auch über den Weltrekord hinausgehen. Man sieht auf jeden Fall, dass der Rekord nicht mehr so für die Ewigkeit ist, wie er mal schien", sagt Stahl.

Alle Hoffnungen ruhen auf den Speerwerfern

Die Speerwerfer stehen aus deutscher Sicht im Mittelpunkt wie vielleicht nie zuvor. Und das spüren sie auch. "Es ist genial, dass wir es durch unsere Leistung geschafft haben, uns so in den Fokus zu rücken. Im DLV sind wir jetzt auch so ein bisschen das Vorzeigeteam", sagt Röhler. Er betont immer wieder, dass er aus seinem Olympiasieg im Vorjahr auch eine Verantwortung für die gesamte deutsche Leichtathletik ableitet. Als Führungsfigur, die längst zum Werbegesicht für die EM 2018 in Berlin avanciert ist. Aber durchaus auch als jemand, der weiß, dass er seine besten Sportlerjahre nutzen muss, um sich zu vermarkten, um Geld zu verdienen und sich Bekanntheit zu erarbeiten.

Bei allen dreien ist davon auszugehen - den DLV wird es freuen —, dass die besten Jahren durchaus noch vor ihnen liegen. Röhler und Hofmann, der Mannheimer, sind 25. Vetter, der Offenburger, ist 24. Das trifft sich vor allem deswegen gut, weil die deutsche Leichtathletik gerade in den traditionell starken Wurfdisziplinen einen personellen Umbruch verzeichnet. Diskuswerfer Robert Harting ist auf der Ziellinie seiner Karriere, Hammerwerferin Betty Heidler hat aufgehört, Christina Obergföll und Linda Stahl ebenfalls. Kugelstoßerin Christina Schwanitz macht Babypause. Da braucht das Land neue Helden.

Und auch wenn das mit dem In-Watte-Packen nicht geklappt hat, eine Schutzmaßnahme hat der DLV für seine Speerwerfer dann doch ergriffen: Weil im Team-Hotel ein Magen-Darm-Virus grassierte, wurden die drei Athleten woanders untergebracht. Tafelsilber ist halt wertvoll.

(RP)
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