Wettkampf in Düsseldorf Kugelstoßerin Christina Schwanitz ist die stärkste Mama der Welt

Düsseldorf · Wie bringt man Leistungssport und Zwillinge unter einen Hut? Problemlos, sagt Kugelstoßerin Christina Schwanitz. Die frühere Weltmeisterin trennt Sport und Familie strikt. Das klappt. Am Mittwoch tritt sie beim Meeting in Düsseldorf an.

 Kugelstoßerin Christina Schwanitz.

Kugelstoßerin Christina Schwanitz.

Foto: dpa/Jan Woitas

Diesen Druck hat sich Christina Schwanitz selbst zuzuschreiben. Es ist der Druck, an diesem Mittwoch die vielleicht meist-beneidete Mutter eines Kleinkindes im Raum Düsseldorf zu sein. Warum? Na, weil sie auf die Frage, ob ihre beiden anderthalbjhährigen Zwillinge denn vor dem Fernseher sitzen werden, wenn die Mama beim Düsseldorfer Leichtathletik-Meeting im Kugelstoßen antritt, antwortet: „Nein, wenn ich um halb sechs anfange, schlafen die beiden schon eine halbe Stunde. Ja, wirklich, die sind immer ab fünf im Bett, und sie schlafen durch.“

Man sollte meinen, Mama Christina sei ausnahmlos glücklich über so pflegeleichten Nachwuchs, Doch die 33-Jährige, die mit der Siegesweite von 19,54 Metern bei den Deutschen Hallenmeisterschaften ihre Führung in der Weltjahresbestenliste noch einmal ausbaute, ist zwiegespalten. „Das ist ein tatsächliches Luxusproblem. Denn wenn ich zweimal am Tag Training habe, sehe ich meine Kinder maximal eine Dreiviertelstunde am Tag“, sagt Schwanitz. „Aber grundsätzlich haben wir es mit den beiden echt gut erwischt, das muss ich zugeben. Sie haben schon mit einem Vierteljahr durchgeschlafen. Als meine Tochter auf die Welt kam, hat sie erstmal neun Stunden geschlafen. Und ich habe den Arzt gefragt, ob sie kaputt ist.“

Kugelstoßen: Christina Schwanitz trainiert für ihr Comeback zur Leichtathletik EM 2018
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Kugelstoßerin Schwanitz trainiert für ihr Comeback

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Foto: dpa, woi skm

Mit schlaffreudigen Zwillingen, einem entspannten Mann, der selbst Zwilling ist, und ihrer eigenen lockeren Lebenseinstellung ist der Weltmeisterin von 2015 das geglückt, was mancher für nicht möglich gehalten hat: Schwanitz ist zurück in der Weltspitze. Weil sie Sport und Familie trennt. In der Planung des Alltags, vor allem aber auch im Kopf. „Ich kann im Sport so abschalten, dass ich meine Kinder für diesen Moment vergesse. Nur so kann ich im Ring auch Weltklasse abliefern. Wenn ich im Kopf nicht abschalte und ständig bei den Kindern bin, kann ich keine Leistung bringen“, sagt sie. Seit langem schon arbeitet Deutschlands Sportlerin des Jahres 2015 mit einer Psychologin zusammen. Der Kopf muss eben funktionieren, damit die Kugel an die 20 Meter weit fliegt.

Es geht darum, sich fokussieren zu können. In den entscheidenden Momenten, nicht im Leben allgemein. Da kann die gebürtige Dresdnerin auch immer wieder herzhaft über sich selbst lachen. „Das nimmt einem viel Druck. Wie viele Menschen leben auf der Welt? Da bin ich doch eigentlich nicht wichtig. Wenn man so durchs Leben geht, macht man sich vieles leichter“, sagt sie. Und dann muss sie noch eben diese Anekdote erzählen. „Neulich habe ich mich bei einem Wettkampf nach dem ersten Versuch in den abgetrennten Bereich gesetzt, als ein kleines Mädchen vorbeirannte. Da dachte ich ,Sag mal, wer lässt denn hier seine kleine Tochter einfach so herumlaufen? Oh verdammt, das ist meine.’“ Dann lacht sie. Es ist ein Lachen, das den Raum ausfüllt. Das ansteckt.

Und ganz aktuell hat die 1,80 Meter große und etwa 115 Kilogramm schwere Athletin ja auch gut lachen. Der Gesamtsieg bei der World Indoor Tour des Weltverbandes IAAF, deren Abschluss das Düsseldorfer Meeting bildet, ist ihr kaum noch zu nehmen. Sie geht als Favoritin in die Hallen-EM in Glasgow (1. bis 3. März), und in der Wettkampfphase hat sie mehr Zeit für die Kinder. „Da kann ich sie entspannt im Kindergarten abholen und habe etwas von ihnen. Oder sie von mir – je nachdem“, sagt Schwanitz. Ihr Mann kommt heute nach der Arbeit in die Halle an der Arena, die schon seit längerem ausverkauft ist. „Die Stimmung wird gut sein, der Ring auch. Die internationale Konkurrenz ist da. Es ist also alles angerichtet.“ Sie hat auch ein ganz konkretes Ziel für den Abend: „19,50 Meter und plus“ lautet es. An eine zwei vorne bei der Weite will sie noch nicht denken.

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Foto: dpa/Patrick Seeger

Die 20-Meter-Marke muss ja auch nicht jetzt schon fallen. Es ist ja noch früh im Jahr, und das große Highlight der Saison, die Weltmeisterschaft im Herbst in Katar, noch ein ganzes Stück entfernt. Da soll es im Optimalfall noch mal eine Medaille sein. Es wäre die dritte bei einer Freiluft-WM, die erste als Mama. Bei der Heim-EM im August in Berlin gewann sie Silber und sorgte anschließend für Schlagzeilen, als sie im ZDF-Sportstudio der Bundeskanzlerin indirekt unterstellte, dem Fußball mehr Aufmerksamkeit zu schenken als dem restlichen Sport. „Was ich mich frage: Warum war Frau Merkel nicht da?“, sagte Schwanitz damals.

Ihre Zwillinge verschliefen den Sportstudio-Auftritt. Wahrscheinlich. Vermutlich.

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