Lauftalent bangt um Start bei EM 2018 Klosterhalfens Wettlauf gegen die Zeit

Bonn/St. Moritz · Nach ihrer Verletzung trainiert Läuferin Konstanze Klosterhalfen wieder. Bei der EM in Berlin aber wechselt sie die Distanz.

 Konstanze Klosterhalfen vom TSV Bayer 04 Leverkusen bei den Hallenmeisterschaften 2017.

Konstanze Klosterhalfen vom TSV Bayer 04 Leverkusen bei den Hallenmeisterschaften 2017.

Foto: imago sportfotodienst

Sie läuft. Endlich wieder. Konstanze Klosterhalfen hat eine schwere Zeit hinter sich. Wochenlang musste sie das unterlassen, was sie am liebsten tut. Das Laufen. Die erste Verletzung ihrer Karriere brachte die deutsche Meisterin über 1500 und 3000 Meter in ihrer Vorbereitung auf die Leichtathletik-Europameisterschaften (6. bis 12. August in Berlin) zwischenzeitlich arg aus dem Rhythmus. Die Knie der 21-Jährigen vom TSV Bayer 04 Leverkusen machten nicht mehr mit. Erst streikte das rechte, weniger später das linke.

Inzwischen ist das größte deutsche Lauftalent wieder fast auf der Höhe. Und aktuell auch in der Höhe: „Ich fühle mich sehr wohl in Sankt Moritz und freue mich, dass ich endlich wieder laufen kann“, berichtet Klosterhalfen, die seit dem 21. Juni die Zahl ihrer roten Blutkörperchen in der dünnen Bergluft nach oben treibt – geplant ist der Höhenaufenthalt bis zum 12. Juli. Für Mittel- und Langstreckenläufer der Extraklasse ein Muss in der Vorbereitung auf die Saisonhöhepunkte.

Neue Pläne hat sie mit ihrem Bonner Trainer Sebastian Weiß geschmiedet und eine Grundsatzentscheidung getroffen. „Wir haben uns festgelegt: Koko läuft die 5000 Meter“, sagt Weiß mit Blick auf die EM. Bedeutet den Abschied von der 1500-Meter-Distanz als Hauptstrecke. Und, dass sie bei den deutschen Meisterschaften am 22. Juli in Nürnberg über die zwölfeinhalb Stadionrunden antreten wird. Dort will die Leverkusener Topathletin die EM-Qualifikationsnorm (15:40,0 Minuten) abhaken – und zu den Top Drei zählen, die das EM-Ticket lösen. Eigentlich sollte das für sie angesichts ihrer läuferischen Qualitäten kein Problem sein – sofern das Training nach einer vierwöchigen strikten Laufpause im Mai anschlägt wie erhofft. Auf jeden Fall ist es ein Wettlauf mit der Zeit.

Eine typische Läuferverletzung war es, die Klosterhalfens Training insgesamt fast acht Wochen lang stark beeinträchtigte: das sogenannte Läuferknie („runner‘s knee“). Die Symptome sind Schmerzen an der Außenseite des Kniegelenks, Ursache ist meist eine Überlastung der Sehnenplatte am Knie. Phasenweise durfte sie nur im Wasser trainieren, sich mit Aquajogging fit halten – ein paar Tage lang sogar nur mit Kraulschwimmen.

Kein Wunder, dass die 21-Jährige derzeit ungerne Blicke in ihr Innenleben gestattet, denn bisher kannte die U23-Europameisterin keine Verletzung. Eilte von Rekord zu Rekord. Beeindruckte bei den großen Titelkämpfen mit Tempovorstößen, die ihr ganzes Potenzial offenlegten. Bei der WM 2017 in London kostete ihr Mut sie noch die mögliche Finalteilnahme, bei der Hallen-WM 2018 war sie als Siebte über 3000 Meter mittendrin in der Weltspitze. Man kann nur ahnen, wie es während der Verletzungsphase in der ehrgeizigen Bockerotherin ausgesehen hat – Frohsinn ist anders. „Wir müssen das Positive aus der Verletzung ziehen. Wir haben die Zeit genutzt, an ein paar Dingen zu arbeiten“, sagt Weiß: „An Dingen, die wichtig sind mit Blick auf die kommenden Jahre: koordinative Dinge, zum Beispiel etwas aufrechter zu laufen.“

Der Abschied von den 1500 Metern als Hauptstrecke hatte sich schon länger angedeutet. Ausschlaggebend sind die überragenden Ausdauerfähigkeiten der zweimaligen Cross-Junioreneuropameisterin. „Bei der Saisonplanung stand die Strecke schon im Raum“, erklärt ihr Trainer: „Mit ihrer Geschwindigkeit, die sie als bisherige 1500-Meter-Spezialistin mitbringt, kann sie hintenraus über 5000 Meter gut aussehen.“

Klar ist, dass die überragende Zeit von 14:51,38 Minuten, mit der sich Klosterhalfen 2017 an fünfter Stelle der europäischen Bestenliste einreihte, für die EM noch nicht der Maßstab ist. Noch nicht. „Wir machen alles Schritt für Schritt und schauen, wie sich das entwickelt“, sagt Weiß. Und Klosterhalfen? „Ich genieße jedes Training.“ Schmunzelnd schildert sie ihre Ausdauerläufe in den Schweizer Bergen, die sie an ihren Heimatort im Siebengebirge denken lassen: „Zwischen den ganzen Porsches und den teuren Geschäften von Sankt Moritz erinnern mich die Bauernhöfe und Traktoren an unser schönes Bockeroth.“ Vor der Bergkulisse macht sie wieder ihr Ding. Sie läuft. Endlich wieder.

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