Kritischer Sportler des Jahres Genugtuung für Feierbiest Harting

Baden-Baden · Robert Harting, der Deutschland-Achter und die zurückgetretene Biathlon-Königin Neuner wurden in Baden-Baden als Deutschlands Sportler des Jahres gefeiert.

Olympia 2012: Diskus-Riese Harting wird zum Hürdenläufer
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Solche Helden hatte Deutschlands Sportlerwahl in 65 Jahren bisher noch nicht produziert: In Gestalt der goldig strahlenden Magdalena Neuner eine, die nach dem dritten Wahlsieg seit 2007 vom "I-Tüpfelchen der Biathlon-Karriere" sprach, allerdings bereits im März zurückgetreten ist. Und dann noch Robert Harting, der nach dem Triumph über den dreimaligen Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel in Baden-Baden ein neues Förderkonzept für den deutschen Sport ankündigte.

"Ich will nicht mehr länger gegen eine Wand reden, die nicht antwortet", sagte der 28-Jährige, der binnen eines Jahres als erster Diskuswerfer weltweit WM-, EM- und Olympia-Gold gewann und trotz oder vielleicht auch wegen seiner Funktionärskritik als Erster seiner Disziplin Sportler des Jahres wurde. Für ihn steht fest: "Ich mache mindestens weiter bis Olympia 2016 in Rio."

Harting beklagt: "DOSB-Präsident Thomas Bach interessiert sich nicht dafür, warum man kritisiert, er stempelt alles als polemisch ab. Darum arbeitete ich mit einem Unternehmer, der Geld und Ideen hat, an einem neuen Fördermodell. Es läuft über die Politik. Es ist sicher nicht einfach zu realisieren. Es gibt da ein paar knifflige Punkte. Aber ich hoffe, dass es im Frühjahr auf starken Beinen steht."

Thomas Bach, den Harting als "selbstgefällig und etwas blass" bezeichnet hatte, sprach dem Berliner per Handschlag seinen Glückwunsch aus und äußerte Verständnis für dessen kritische Haltung: "Als ich damals Athletensprecher war, habe ich auch mal den Säbel ausgepackt." Zu Hartings Plänen mit einem Sponsoren-Konzept könne er nichts sagen. "Ich kenne es nicht, und es fällt auch eher in den Bereich der Deutschen Sporthilfe", meinte der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).

Harting ließ sich am Sonntag von nichts die Freude verderben. Der Mann, der sich nach großen Siegen mit urigem Schrei das Trikot vom Leibe fetzt, imitierte auf der Bühne im feinen Zwirn dieses martialische Ritual. Dann war es ihm eine Genugtuung, "dass keiner aus der vom Kapital getragenen Sportart Formel 1" gewonnen hat. Und zum Schluss wurde er seinem Ruf als "Feierbiest" gerecht, als er noch gegen fünf Uhr morgens zusammen mit Beachvolleyball-Olympiasieger Julius Brink und dem in London ebenfalls mit Gold dekorierten Hockeyteam das inzwischen ziemlich leergefegte Kurhaus-Parkett beherrschte.

Brink und Partner Jonas Reckermann wurden bei der Wahl der Mannschaft des Jahres vom Deutschland-Achter "geblockt", der erstmals seit 23 Jahren wieder als Sieger einlief. Auch die Hockeyspieler waren den 1500 Journalisten, die sie auf Platz drei gewählt hatten, nicht gram. Moritz Fürste, dessen Team immerhin noch Vorjahressieger Borussia Dortmund schlug (4.): "Bei keinem von uns hat das Ärger erzeugt. Der Achter hat verdient gewonnen, aber auch wir wären gute Sieger gewesen."

Magdalena Neuner, die vor Tennis-Aufsteigerin Angelique Kerber und der Siebenkampf-Olympiazweiten Lilli Schwarzkopf siegte - Schwarzkopf erhielt um Mitternacht einen Heiratsantrag von ihrem Freund Georg -, hat noch keine Hochzeit mit ihrem Freund Sepp Holzer geplant: "Erst einmal freue ich mich über diese letzte Auszeichnung, die es für mich als Sportlerin gab. Ab 2013 bin ich wirklich ein Normalo." Im beruflichen Bereich erhalte sie "eine Menge Angebote.
Irgendwann wird es sich zeigen, was ich machen werde."

Sebastian Vettel, der per Video-Botschaft vom Race of Champions in Bangkok grüßte und dort für alle sichtbar den Pokal von Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher erhielt, war der Einzige, der von den drei Erstplatzierten fehlte. Bei der kurzweiligen Show vor 800 Gästen im Benazet-Saal umschifften Rudi Cerne und seine ZDF-Kollegin geschickt etliche Klippen. Den schönsten Fauxpas sich Katrin Müller-Hohenstein, als sie Julius Brink fragte, ob der neue Ehering oder die Goldmedaille für ihn mehr Stellenwert hat. Einem ungläubigen Raunen im Saal ob dieser Frage folgte Brinks Konter: "Waren sie nicht auch mal verheiratet?"

(sid/rl/sap)
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