Fabelzeit von Lyles Das war die Nacht bei der Leichtathletik-WM

Eugene · Über die 200 Meter brillierten Shericka Jackson bei den Frauen und Noah Lyles bei den Männern. Bei den deutschen Speerwerfern verlief die Quali durchwachsen, während ein deutscher Läufer mit Corona-Aussagen für Verwirrung sorgt.

Leichtathletik-WM 2023 Budapest: Der Medaillenspiegel
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Der Medaillenspiegel der Leichtathletik-WM 2023

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Foto: AP/Bernat Armangue

Am Weltrekord gekratzt: Zum Einstieg delikate, aber leichte, weil sportliche Kost: Die 200-m-Finals am Donnerstagabend lieferten die bisherigen Glanzleistungen bei dieser WM. Zunächst näherte sich die Jamaikanerin Shericka Jackson in 21,45 Sekunden so nah wie noch nie eine Athletin dem Weltrekord der legendären Florence Griffith-Joyner an - 1988 lief die nur zehn Jahre später verstorbene „Flo-Jo“ 21,34. Und danach prügelte Titelverteidiger Noah Lyles aus den USA in 19,31 um die halbe Stadionrunde. Schneller waren bislang nur Weltrekordler Usain Bolt (19,19) und sein jamaikanischer Landsmann Yohan Blake (19,26). Den US-Sprintern gelang nach den 100 m der nächste Dreifachtriumph.

Corona-Irrungen: Als hätte das deutsche Team bei dieser WM nicht schon genug Sorgen, schlug dann am Donnerstag auch noch das hässliche Virus zu. Erst verabschiedete sich Geher Christopher Linke, der immerhin eine kleine Medaillenhoffnung verkörperte, nach einem positiven Test in Quarantäne und sagte für das 35-km-Rennen am Samstag ab. Der Potsdamer hatte sich aber immerhin testen lassen - offenbar ganz im Gegensatz zu 5000-m-Meister Mohamed Mohumed, der am Morgen mit Symptomen aufgewacht war und trotzdem zum Vorlauf am Abend antrat. „Ich weiß nicht, ob es mich erwischt hat. Ich hoffe es nicht“, sagte der 23 Jahre alte Dortmunder auf diesbezügliche Nachfrage und sorgte für reichlich Irritationen. „Das ist eines der größten Ereignisse der Welt, und wenn man sich qualifiziert, will man auch laufen“, sagte der in Willich geborene Mittelstreckler, der kurz vor der Abreise (die er mit negativem Test antrat) laut eigener Aussage engen Kontakt mit seinem später positiv getesteten Trainer hatte. Der sichtlich geschwächte Mohumed, der das Thema Corona „ausgeblendet“ habe, blieb weit über seiner Bestzeit und schied aus. Wie der DLV am späten Abend mitteilte, sei Mohumed nach dem Rennen negativ getestet worden. Höchstwahrscheinlich ist diese Angelegenheit damit aber noch nicht erledigt.

Herz statt Rücken: Mohumeds heikle Einlassungen stellten dann leider den so erfreulichen Auftritt von Sam Parsons und den folgenden zuckersüßen Juchz-Monolog des in den USA geborenen Frankfurters ein wenig in den Schatten. Parsons stürmte als Neunter seines Vorlaufs mit mächtigem Mut ins 5000-m-Finale. Seine 13:24,50 Minuten waren nicht nur klasse, sondern auch bemerkenswert. „Ich habe meiner Freundin vor dem Rennen am Telefon gesagt: Ich glaube, ich laufe nicht. Ich hatte so ein schlimmes Gefühl im Rücken“, sagte Parsons im ZDF: „Aber manchmal musst du einfach nur mit dem Herzen laufen. Ich freue mich so!“ Und mit einem derartigen Grinsen, dass sich die Mundwinkel am Hinterkopf trafen, verkündete er in herzigem Akzent: „Mann, es ist so eine gute Gefühl!“ Bitte mehr davon!

Leichtathletik-WM Eugene 2022: Die Höhepunkte mit Stabhochsprung, Sprint, Duplantis, Warholm
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Das sind die Höhepunkte der Leichtathletik-WM

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Foto: AFP/ANDY LYONS

Rumms: Julian Weber verkörpert einen Sportler-Typ, wie es ihn in diesem deutschen WM-Team leider zu selten gibt. Der Speerwerfer aus Mainz will endlich seine erste große Medaille holen - und trat in der Qualifikation auch so auf: Gleich mit dem ersten Wurf drosch er sein Arbeitsgerät auf 87,38 m, drittbeste Quali-Weite aller Starter, beste Aussichten auf Edelmetall am Samstag - es wäre wohl das erste für den DLV in Eugene. „Ich fühle mich so gut, es hat so einen Spaß gemacht hier, es hat sich so leicht angefühlt. Es stimmt schon ziemlich viel gerade“, sagte der Olympia-Vierte. Im Finale wird er aber Einzelkämpfer sein - Vize-Europameister Andreas Hofmann war mit akuten Rückenproblemen chancenlos.

Hoher Besuch: Mindestens eine Sache kriegen die Veranstalter dieser WM mit faszinierender Sicherheit hin - sie präsentieren zu den Wettkämpfen die passenden Ikonen. Zum 200-m-Finale der Männer waren die US-Sprintlegenden Tommie Smith und John Carlos als Ehrengäste zugegen. Olympiasieger Smith und der drittplatzierte Carlos hatten 1968 in Mexiko-Stadt auf dem Podest die Faust in einem schwarzen Handschuh in die Luft gereckt - das Symbol der US-Bürgerrechtsbewegung Black Power. Eine Geste, mit der beide damals mindestens ihre Karriere riskierten. Und die heute, vor allem angesichts der politischen Lage in den USA, hochaktuell ist.

Leichtathletik-WM 2023: Zeitplan, Programm und alle Entscheidungen
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Zeitplan und Entscheidungen in Budapest 2023

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Foto: dpa/Michael Kappeler

Alles muss Raus: Organisations-Weltmeister sind die Macher in Oregon aber offensichtlich nicht in jeder Hinsicht. Zumindest haben sie sehr viele Fanartikel für doch sehr wenige Fans im Stadion produziert. Mit dem Ergebnis, dass die ab Montag ziemlich unverkäuflichen Memorabilia seit dem viertletzten Wettkampftag für knapp mehr als die Hälfte des bisherigen Preises verhökert werden. So kostet die rund 20 Zentimeter große Flauschversion des Zottelmaskottchens „Legend the Bigfoot“ statt 35 nur noch 20 Dollar. Reizvoll für alle, die nach bis zu 295 Dollar für ein Ticket und 14 Dollar für ein Büchsenbier noch flüssig sind...

Was noch zu sagen wäre: „Ich habe versucht, eine Weltklasseleistung zu zeigen. Das ist eine WM und kein Dorfsportfest.“ (Speerwerfer Andreas Hofmann)

(dör/SID)
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