Leichtathletik Eine selten erfolgreiche Sportfamilie

Wesel · Die Geschwister Melanie, Stephan und Torsten Sanders haben sich in diesem Jahr für die Deutsche Meisterschaft qualifiziert. Die Leichtathleten des WTV, die aus einer sportlichen Familie stammen, wollen das 2013 wiederholen.

 Torsten Sanders (rechts) half beim Handball-Verbandsligisten HSG Wesel zuletzt aus. Jetzt konzentriert er sich wieder auf die Leichtathletik.

Torsten Sanders (rechts) half beim Handball-Verbandsligisten HSG Wesel zuletzt aus. Jetzt konzentriert er sich wieder auf die Leichtathletik.

Foto: Ekkehart Malz

Der Flachs blüht auf der Stabhochsprungmatte in der Leichtathletikhalle des Weseler TV vor einer der seltener gewordenen gemeinsamen Trainingseinheit. Die Geschwister Melanie (21), Stephan (20) und Torsten Sanders (18) ziehen sich gegenseitig auf. "Im Hürdenlauf bin ich immer noch der Beste in der Familie", sagt Stephan.

 Stephan Sanders (rechts) gehört als Abwehrspieler zum Kader des PSV Wesel, der in der Fußball-Landesliga Titelchancen besitzt.

Stephan Sanders (rechts) gehört als Abwehrspieler zum Kader des PSV Wesel, der in der Fußball-Landesliga Titelchancen besitzt.

Foto: Bosmann

Torsten kontert. "Doch bei Deutschen Meisterschaften war ich über die Hürden im Endlauf und du nicht." Wenig später bekommt einer der beiden Brüder von Schwester Melanie sein Fett weg. Roman Buhl, Trainer der Leistungsgruppe des Weseler TV, verfolgt den Wortwechsel mit einem Schmunzeln. "So kenne ich das seit Jahren", sagt er.

 Die Familientreffen in der Leichtathletikhalle des Weseler TV sind seltener geworden, weil Stephan Sanders (links) und Schwester Melanie mittlerweile in Köln und Wuppertal Sport studieren. Torsten Sanders besucht noch das Berufskolleg in Wesel.

Die Familientreffen in der Leichtathletikhalle des Weseler TV sind seltener geworden, weil Stephan Sanders (links) und Schwester Melanie mittlerweile in Köln und Wuppertal Sport studieren. Torsten Sanders besucht noch das Berufskolleg in Wesel.

Foto: Roman Buhl

Den Trainer stört es nicht. Schließlich weiß er, dass das Sanders-Trio mit dem nötigen Ernst bei der Sache ist, wenn's um was geht in der Leichtathletik. "Alle drei sind sehr ehrgeizig, talentiert und arbeiten sehr zielorientiert", lobt Roman Buhl. Deshalb haben Melanie, Stephan und Torsten 2012 auch vollbracht, was nicht alltäglich ist. Dass es drei Geschwister in einem Jahr geschafft haben, sich für Deutsche Meisterschaften zu qualifizieren, ist in der deutschen Leichtathletik eine Seltenheit.

Was 2012 geklappt hat, soll 2013 erneut gelingen. Deshalb hat für Stephan und Torsten derzeit wieder die Individualsportart Leichtathletik absolute Priorität. Torsten Sanders, der im Sommer bei der Deutschen Jugend-Meisterschaft im Hochsprung mit einer Steigerung auf 2,07 Meter die Silbermedaille gewann, hat sein Gastspiel bei den Handballern der HSG Wesel beendet. Er hatte beim Verbandsliga-Aufsteiger ausgeholfen, weil das Personal zu Beginn der Saison auf der Rechtsaußenposition knapp war.

"Die Truppe war ganz korrekt. Doch jetzt habe ich keine Zeit mehr fürs Handball-Training. Ansonsten wäre ich geblieben", sagt der 18-jährige Schüler des Berufskollegs. Er möchte im Winter bei der Hallen-DM erneut aufs Treppchen springen. "Ich will wieder Silber holen und mich auf 2,10 Meter verbessern." Vom Titel wagt er nicht zu träumen. Denn es gibt in der Altersklasse einen Athleten, der sich in anderen Höhen über die Latte bewegt. Falk Wendrich (Soest), Bestleistung: 2,24 Meter.

Stephan Sanders hat gerade eine recht erfolgreiche Hinrunde mit dem Fußball-Landesligisten PSV Wesel hingelegt. Das Team hat jetzt Winterpause. Der 20-jährige Abwehrspieler, Student an der Deutschen Sporthochschule in Köln, nicht. Denn in der Leichtathletik steht halt die Hallensaison vor der Tür. "Das passt zeitlich gut zusammen mit den beiden Sportarten", sagt Stephan Sanders, der über 60 Meter Hürden wieder bei der Deutschen Hallen-Meisterschaft im Startblock kauern will. Dort war er in diesem Winter der beste der 24 Teilnehmer — was die Reaktionszeit beim Startschuss angeht. Trotzdem scheiterte er im Vorlauf. Das will er ändern. "Wenn es diesmal ein Halbfinale gibt, will ich dabei sein", sagt der Westdeutsche Vizemeister in der Halle.

Melanie Sanders hat erst einmal ganz andere Ziele. Die 21-Jährige, die in Wuppertal Sport studiert, wäre froh, wenn sie wie ihre Brüder bald wieder voll ins Training der Leistungsgruppe von Roman Buhl einsteigen könnte. Die Hochspringerin und Mehrkämpferin, die bei Deutschen Nachwuchs-Meisterschaften sechsmal den sechsten Platz belegte, plagt seit Monaten eine Oberschenkelverletzung. Die Ursache dafür wurde bislang nicht gefunden.

Zuletzt wurde Melanie Sanders eine Woche lang stationär bei Peter Müller, dem Physiotherapeuten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, behandelt. "Ich hoffe, er kann mir helfen", sagt die 1,80 Meter große Athletin. Die Hallensaison 2013 hat sie abgeschrieben. Doch im Freien möchte sie in ihrem letzten Jahr bei den Juniorinnen noch einmal das Ticket zur Deutschen Meisterschaft lösen. Sportlich aktiv ist sie trotz der Verletzung. Sie trainiert mit stark angezogener Handbremse bei den Leichtathleten, spielt Volleyball beim PSV Wesel und reitet, so oft es möglich ist, mit ihrem Pferd aus.

Ihr geht's wie ihren Brüdern. "Ein Tag ohne Sport ist ein verlorener Tag für mich", sagt Torsten, der mit 1,95 Metern drei Zentimeter größer ist als sein zwei Jahre älterer Bruder, der zustimmend nicht. Torsten spielt Volleyball, Basketball, Squash, Tennis und Badminton, wenn er mal nicht in der Schule oder beim Leichtathletik-Training ist. Stephan ist alleine schon wegen seines Studiums ständig sportlich auf Achse. Die anspruchsvolle Aufnahmeprüfung für den Besuch der Deutschen Sporthochschule in Köln hat er problemlos bestanden. "Ich fand's nicht so schwer", sagt er.

Roman Buhl wundert das nicht. Schließlich bescheinigt er den Geschwistern, dass sie "eine hohe Bewegungsbegabung und gute Koordination haben". Deshalb gelang es dem Sanders-Trio auch, als Späteinsteiger noch zu bemerkenswerten Erfolgen zu kommen. Alle drei sind erst in der B-Jugend auf den Leichtathletik-Geschmack gekommen. Sportlich sind die Geschwister bereits von Kindesbeinen an unterwegs. "Das begann schon beim Mutter-und-Kind-Turnen", sagt Melanie Sanders. Später waren sie, wie viele Kinder aus Obrighoven, bei der Gymnastikschule Wesel in der Gruppe von Hermine Hochstrat aktiv.

Die Geschwister stammen aus einer sportlichen Familie. Vater Andreas Sanders, der 2004 gestorben ist, war erfolgreicher Sportkegler. Er gewann mit der BFG Wesel 1993 den Westdeutschen Pokal und die Wahl zu Wesels Mannschaft des Jahres. Mutter Ulla Sanders spielt Volleyball, walkt engagiert und gehört zu den regelmäßigen Startern beim Weseler Dreiwiesellauf. Onkel Klaus Schepers war erfolgreicher Leichtathlet.

Er belegte 1986 bei der Deutschen Jugend-Meisterschaft den achten Platz im Dreisprung. Dessen Bruder Rainer Schepers wiederum war jahrelang eine feste Größe in der ersten Mannschaft des PSV. "Er hat mich zum Fußball gebracht", sagt Stephan Sanders.

Die Geschwister trainieren heute wegen des Studiums von Melanie und Stephan nur noch am Wochenende zusammen. Früher fuhren sie gemeinsam von Obrighoven zum Training ins Auestadion. "Wir mussten Torsten da oft wecken. Sonst hätte er verschlafen", sagt Melanie Sanders und lacht. Der Flachs blüht wieder bei den Geschwistern. Und Torsten wird nach dem gut 45-minütigen Gespräch langsam unruhig. Er ist auf der Matte ständig in Bewegung, weil er sich endlich bewegen will beim Training.

Dann geht's los. Die Brüder holen Gewichte fürs Hanteltraining aus dem Kraftraum. Nicht, ohne sich gegenseitig im Spaß vorzuwerfen, die falsche Scheibe mit hinaus in die Halle genommen zu haben. Roman Buhl quittiert auch das mit einem Lächeln. Denn er weiß: "Wenn das Training gleich beginnt, sind sie voll bei der Sache."

(RP/rl)
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