Hollands Sprint-Entdeckung Schippers — zu schnell, um wahr zu sein?

Peking · Die Niederländerin Dafne Schippers ist in Peking sensationell zu Silber über 100 m gesprintet. Ihr Leistungssprung sorgt für Zweifel.

Dafne Schippers: Schnelle Niederländerin
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Das ist Dafne Schippers

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Foto: dpa, nic

Mitten im Freudentaumel wurde Dafne Schippers plötzlich ernst, ihre Augen blitzten böse. "Kommt, fragt mich doch endlich danach", sagte die schnellste Frau Europas in Richtung der Reporter-Meute: "Ich werde euch sagen, dass ich zu 100 Prozent sauber bin. Man kann doch einfach nur Talent haben. Mich macht so etwas wirklich wütend."

Mit ihrem sensationellen Silber-Coup im 100-m-Finale der WM in Peking stellte die Niederländerin fast Weltmeisterin Shelly-Ann Fraser-Pryce in den Schatten. Die 23-jährige Schippers, bis 2013 reine Siebenkämpferin, sprintete im Vogelnest 10,81 Sekunden - so schnell lief seit zehn Jahren keine weiße Frau, seit 17 Jahren keine Westeuropäerin.

"Wow, ich bin die Zweite der Welt. Das kann ich nicht fassen", sagte Schippers, die sogar noch der jamaikanischen Dominatorin Fraser-Pryce (10,76) auf die Pelle rückte. "Ich hätte noch ein paar Meter gebraucht, um sie zu überholen. Das ist aber auch egal", sagte Schippers. Auch so ist die Entwicklung der großen Blondine aus Utrecht höchst außergewöhnlich.

Als Siebenkämpferin stand Schippers auf dem Sprung nach ganz oben, holte bei der WM 2013 mit nur 21 Jahren bereits Bronze. 2014 wagte sie sich an den Spezialsprint, legte beim Diamond-League-Meeting in Glasgow Glanzzeiten über 100 (11,03) und 200 m (22,34) hin, wurde in Zürich über beide Strecken Europameisterin.

Das Ganze lief als trainingsmethodisches Experiment, freilich aber mit Hintergedanken: Für eine europäische, ansehnliche Weltklasseprinterin - Katrin Krabbe lässt grüßen - liegen Ruhm und Geld näher als für eine Mehrkämpferin. Schippers stellte sich also in Peking der mächtigen Lauf-Konkurrenz aus Amerika, Afrika und der Karibik.

"Es ist toll, als einzige weiße Sprinterin mit den ganzen dunkelhäutigen im Finale zu laufen und mitzuhalten", sagte Schippers: "Mein Beispiel zeigt, dass eine Weiße schnell laufen kann. Ich weiß aber auch, dass ich nicht die besten Vorgängerinnen in der weißen Sprinterinnen-Welt habe."

Damit war sie wieder beim Thema Doping. Nahezu jede hellhäutige 100-m-Läuferin, die bei Weltmeisterschaften auf dem Podium gelandet ist, gilt als einschlägig belastet: Die DDR-Weltmeisterinnen Marlies Göhr (1983) und Silke Gladisch (1987), Nachfolgerin Krabbe (1991), die Ukrainerin Schanna Block (Bronze 1997, Silber 2001), eine der unverbesserlichsten Doperinnen überhaupt, oder die Griechin Ekaterini Thanou (Silber 2001), deren Flucht mit Landsmann Kostas Kenteris vor den Dopingfahndern bei Olympia 2004 legendär ist. Eine schauerliche Ahnengallerie.

Bei Schippers, die in Peking schneller lief als ostdeutsche Vorzeige-Athletinnen wie Gladisch, Marita Koch oder Heike Drechsler zu besten Zeiten, wollten Beobachter prompt eindeutig zweideutige Hinweise auf unlauteren Wettbewerb entdeckt haben: Die Niederländerin habe mächtig an Muskeln zugelegt, ihre Haut sei weit unreiner als im Jahr zuvor - wild wurde spekuliert.

Schippers hat ein Problem. Je schneller sie läuft, desto verdächtiger wird sie. Auch wenn dies das derzeit einzige ist, das sie verdächtig macht.

(sid)
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