Armin Hary James Dean der Aschenbahn wird 80

Hamburg · Seit dem 21. Juni 1969 ist Armin Hary eine Legende des deutschen Sports. An diesem Tag läuft der Sprinter in Zürich Weltrekord über 100 Meter in 10,0 Sekunden.

 Armin Hary am 21. Juni 1960 beim zweiten Rekordlauf im Letzigrund-Stadion in Zürich.

Armin Hary am 21. Juni 1960 beim zweiten Rekordlauf im Letzigrund-Stadion in Zürich.

Foto: AP, AP

21. Juni 1960. Zürich, Letzigrund. Um kurz nach 20 Uhr hämmert Armin Hary seinen Startblock mit Nägeln fest auf die Aschenbahn, er zupft sich das Trikot zurecht. Nichts darf schiefgehen. Es soll sein großer Abend werden. Hary ist in Top-Form.

"Ich habe mich damals auf den Knall gestürzt wie ein Boxer auf den Gegner", sagt Hary. Er trommelt die 100 Meter entlang. 10,0 Sekunden. Weltrekord, eine Sensation. Doch die Kampfrichter sind so geschockt, dass sie die Zeit nicht anerkennen - Fehlstart sagen sie. "Da war die Sache für mich eigentlich erledigt", sagt Hary, doch er bekommt einen Wiederholungslauf zugestanden. Und der "Unbekannte vom Dorf" rennt 35 Minuten später noch einmal 10,0 Sekunden, bis heute ist er der letzte weiße Weltrekordler.

Seit diesem 21. Juni 1960 ist Hary eine Legende des deutschen Sports, nur 72 Tage später holt der damals 23-Jährige in Rom als bisher einziger Deutscher Olympiagold über 100 m, eine Woche später auch mit der 4x100-m-Staffel. Heute feiert er seinen 80. Geburtstag. "Ich denke nicht täglich daran, dass ich früher mal ein toller Hecht war", sagt Hary. Aber natürlich wird der "blonde Blitz", der Usain Bolt seiner Zeit, immer wieder auf die alten Zeiten angesprochen, die Menschen haben ihn nicht vergessen. "Jede Woche erhalte ich noch immer fünf bis zehn Autogrammwünsche aus der ganzen Welt", sagt er.

Was heute unvorstellbar klingt: Hary war auf dem Höhepunkt seines Schaffens kein gefeierter Star. Der Sohn eines Bergmannes aus Quierschied wurde stets skeptisch beäugt. Er hatte den unbedingten Willen, sich nach oben zu arbeiten - auf seine Weise. Hary war einer, der aneckte, sich wenig sagen ließ, ungestüm, aufsässig, für die Generation nach dem Krieg war er der deutsche James Dean der Aschenbahn. Bei den konservativen Funktionären wurde er aber als Rebell abgestempelt.

"Zu meiner Zeit war der mündige Athlet noch nicht erfunden", sagt Hary süffisant: "Ich habe mir nicht viel gefallen lassen." Nach drei kurzen Sommern, dem Doppel-Gold bei der EM 1958 und einem weiteren aberkannten 10,0-Lauf, dem Weltrekord 1960 und dem Olympia-Triumph von Rom, macht Hary 1961 als 24-Jähriger schon Schluss.

Heute engagiert sich der Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande für seine AHA-Stiftung zur Förderung jugendlicher Sporttalente aus sozial benachteiligten Familien. Wie er damals eines war. Täglich sitzt er am Telefon oder besucht Unternehmen, um Geld zu sammeln. "Ich bin der größte Bettler Deutschlands", sagt Hary im Scherz. Und er fährt Fahrrad: "Ich trete schon kräftig. Wenn ich zu Hause sitze, werde ich krank."

(sid)
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