Kiffen als Doping Warum Cannabis für Profisportler weiter verboten bleibt

Düsseldorf · Die Bundesregierung will den Konsum legalisieren. Im Leistungssport gilt die Droge jedoch als Doping. Wir erklären, warum sich das zeitnah auch nicht ändern wird, obwohl Cannabis als Schmerzmittel durchaus geschätzt wird.

US-Sprinterin Sha‘Carri Richardson hatte aufgrund einer 30-tägigen Sperre wegen Marihuana-Konsums im Vorjahr die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio verpasst.

US-Sprinterin Sha‘Carri Richardson hatte aufgrund einer 30-tägigen Sperre wegen Marihuana-Konsums im Vorjahr die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio verpasst.

Foto: Daniel A. Anderson / dpa

Cannabis hat seinen festen Platz im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP. „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein.“ So schreiben es die drei Parteien. Die neue Bundesregierung plant also, „Gras“ für den privaten Gebrauch zu legalisieren. Doch wie weit geht das Private? Betrifft das am Ende auch den Profisport, bei dem Cannabis bislang als Dopingsubstanz verboten ist? Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu diesem Thema.

Zunächst einmal: Was ist eigentlich Cannabis? Und was ist der Unterschied zwischen den Abkürzungen THC und CBD? Cannabis ist eine Kulturpflanze, auch Hanfpflanze genannt, die verschiedene sogenannte Cannabinoide enthält. Wenn über Cannabis gesprochen wird, sind häufig zwei bestimmte Cannabinoide gemeint: Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Während THC eine euphorisierende Wirkung hat und psychoaktiv wirkt, hat CBD keine bewusstseinserweiternde Wirkung. Sprich: THC macht high, CBD nicht. Aus diesem Grund fällt CBD auch nicht unter das Betäubungsmittelgesetz und kann im Internet oder im stationären Handel erworben werden. Außerdem ist CBD nicht als Dopingsubstanz verboten.

Trotzdem ist Kiffen am Wettkampftag gerade für Sportler keine gute Idee. Warum? „Cannabinoide dürfen bei einer Wettkampfdopingkontrolle nicht nachgewiesen werden“, erklärt Eva Bunthoff, Sprecherin der Nationalen Anti Doping Agentur (Nada). Im Januar 1999 hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) erstmals die Anwendung von Cannabinoiden als Dopingsubstanz im Wettkampf verboten. Die Welt Anti Doping Agentur (Wada) nahm Cannabis 2004 in ihre Liste auf. Da Cannabinoide wie THC auch lange nach dem Konsum nachweisbar sein können und Athleten diese auch passiv aufnehmen können, etwa wenn sie sich in einem geschlossenen Raum aufhalten, während andere Cannabis rauchen, gibt es bei Urintests einen Grenzwert von 150 Nanogramm pro Milliliter.

Warum ist THC überhaupt als Dopingsubstanz verboten? Cannabis wirkt nicht direkt leistungssteigernd. Auch könne die Koordination sogar verschlechtert werden, wie Johannes Herber, Geschäftsführer beim Verein Athleten Deutschland und ehemaliger Basketball-Nationalspieler, anführt. Und dennoch gilt Cannabis als Doping – nur warum? Patrick Diel, Professor an der Deutschensporthochschule Köln und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin erklärt es so: „Der erste Grund ist, dass Athleten weniger Furcht haben. Sie sind risikofreudiger und gehen über ihre Grenzen hinaus. Das birgt aber eine hohe Verletzungsgefahr. Der zweite Grund ist, dass sie durch dieses Verhalten durchaus einen Leistungsvorteil haben können.“

Warum plädieren trotzdem manche Sportler für den Cannabiskonsum? „THC hat eine euphorisierende Wirkung, das ist auch der Grund, warum es überhaupt als Rauschmittel genommen wird“, sagt Diel. „Bei CBD gibt es Behauptungen, dass es beruhigend, entzündungshemmend und schmerzlindernd wirken kann. Was den Sport angeht, gibt es jedoch zu wenige wissenschaftliche Studien, die das belegen“, ergänzt der Biochemiker, der am Zentrum für Präventive Dopingforschung in Köln auch zum Thema Cannabis forscht. „Bei Menschen mit Bewegungsschmerzen, zum Beispiel durch eine Arthritis, kann ich mir schon vorstellen, dass das eine positive Bedeutung hat“, räumt Diel ein.

Auch Athletenvertreter Johannes Herber sieht Gründe für den Konsum: „Einige Athleten würden eventuell den Einsatz von medizinischen Cannabinoiden anstelle von Schmerzmitteln bevorzugen. Einige amerikanische Profisportler haben Cannabinoiden außerdem eine entspannende und schlaffördernde Wirkung zugesprochen.“ Allerdings bestätigt auch Herber, dass die Studienlage dazu nicht eindeutig sei.

Weshalb sollten Sportler am Ende auch auf die eigentlich erlaubten CBD-Produkte verzichten? „Wir wissen, dass einige Athleten CBD-Produkte nutzen, denen eine entkrampfende und entzündungshemmende Wirkung nachgesagt wird“, sagt Herber. Dennoch rät Wissenschaftler Diel zur Vorsicht: „Zum momentanen Zeitpunkt würde ich Leistungssportlern dringend davon abraten, eine CBD-haltige Substanz zu nehmen. Es kann nie ausgeschlossen werden, dass sie vielleicht doch kleine Mengen THC enthält und diese bei den Kontrollen auffällt.“ Stichproben der kölner Forscher bestätigen die mögliche Unreinheit von CBD.

Ändert sich denn nun überhaupt etwas an den Dopingrichtlinien, wenn der Konsum von Cannabis in Deutschland legalisiert wird? Die kurze und unspektakuläre Antwort lautet: erst mal nicht. „Bei dem Anti-Doping-Regelwerk handelt es sich um ein internationales Regelwerk“, erklärt Nada-Sprecherin Bunthoff. Nationale Alleingänge der Nada sind ausgeschlossen, da sie sich zur Umsetzung des Welt Anti-Doping Codes verpflichtet hat. „Cannabis ist eine Substanz, bei der es weltweit sehr unterschiedliche Regelungen der Nationen gibt. Die Wada versucht da, einen Mittelweg zu finden. Auch in Ländern, in denen Cannabis legal konsumiert werden kann, ist es bei Wettkämpfen verboten“, sagt Bunthoff und ergänzt: „Da es sich um ein internationales Regelwerk handelt, haben die nationalen Planungen zunächst keine Auswirkung auf das Verbot.“

Ist denn zu erwarten, dass die Wada die Verbotsliste hinsichtlich Cannabis überarbeitet? Der Welt-Anti-Doping-Code wird einmal im Jahr neu formuliert. Ein Expertengremium entscheidet dann unter Berücksichtigung von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Änderungsvorschlägen. Laut Athletenvertreter Herber von Athleten Deutschland befasse sich die Wada seit September mit dem Status von Cannabis. Herber sagt: „Die mögliche Streichung von Marihuana von der Dopingliste wird vor allem in den USA viel diskutiert. Im Mittelpunkt steht dabei die Überlegung, ob es Sinn ergibt, dass sich einige Athleten mit Schmerzmitteln vollpumpen, wenn sie stattdessen medizinisches Marihuana nehmen könnten. Es ist gut, dass sich die Wada damit befasst.“

(ele)
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