Boxen: Mike Tyson zieht Millionen in seinen Bann Kampf gegen Julius Francis wird wohl keine sportliche Delikatesse

London (dpa). Wenn Mike Tyson boxt, ist der Skandal nicht weit. Sportlich gehört der Auftritt des ehemaligen Schwergewichts- Weltmeisters am Samstag in Manchester gegen den Briten Julius Francis (Premiere World/22.15 Uhr) nicht unbedingt zu den Delikatessen, doch der US-Amerikaner zieht stets ein Millionen-Publikum in seinen Bann - egal, wie sein Gegner heißt.

Seit fast zwei Wochen hält "Iron Mike" die britische Insel in Atem. Ob beim nächtlichen Joggen durch den Hyde-Park trotz behördlichen Verbots, ob beim verschwenderischen Shopping durch Nobel-Boutiquen: Jeder seiner Schritte wird argwöhnisch beobachtet. Während ihn die einen am liebsten kreuzigen würden, bejubeln ihn andere - wie im Londoner Armenviertel Brixton - als Messias. Tyson polarisiert wie kaum ein anderer Faustkämpfer.

Für die Skandalnudel ist der Kampf in Manchester Europa-Premiere. Mit dem Duell gegen Francis verbindet der umstrittene Boxer eine Doppelstrategie: Zum einen will er endlich wieder sportlich von sich reden machen, nachdem ihn die staatliche Boxkommission von Nevada im November vergangenen Jahres als Reaktion auf den Skandalkampf gegen Orlin Norris zur "unerwünschten Person" erklärt hat. Zum anderen muss er Geld ohne Unterlass verdienen. Der als "Ohrenbeißer" verschriene 33-Jährige hat rund 20 Millionen Dollar Steuerschulden, obwohl er in seiner Karriere nahezu 200 Millionen Dollar verdient haben soll.

17 Millionen Mark kassiert der Ex-Champ für seinen Auftritt in der mit 22 000 Zuschauern ausverkauften MEN-Arena von Manchester. Rivale Francis hingegen muss sich mit dem Trostpflaster von 550 000 Dollar begnügen. "Ich werde Francis killen", fauchte Tyson in die Fernsehkameras. Sein britischer Kontrahent tut die Drohungen als Schaumschlägerei ab. "Tyson ist ein Puncher. Mit technischem Boxen hat er seit einiger Zeit nicht mehr viel am Hut", meint der 35 Jahre alte Londoner. In der Tat haben die Haftstrafen wegen Vergewaltigung und Körperverletzung sowie der Lizenzentzug nach dem an Evander Holyfield verübten Ohrenbiss Spuren bei Tyson hinterlassen. Der einst als unschlagbar geltende Haudrauf hat sichtlich an Klasse eingebüßt.

Ob sich der in 50 Kämpfen 46 Mal siegreiche Tyson allerdings von Francis aus den Stiefeln kippen lässt, ist mehr als fraglich. WBO- Weltmeister Witali Klitschko hat den Engländer 1998 schon in der zweiten Runde auf die Bretter geschickt. Selbst der "weiche Riese" Axel Schulz besiegte Francis (28 Kämpfe, 21 Siege) nach Punkten. Der britische Schwergewichtsmeister ist zweifellos ein Auslaufmodell. Mit Tyson gemein hat er eine kriminelle Vergangenheit. Auch Francis saß hinter Gittern, beschreibt sich aber seit einiger Zeit als "zivilisiertes Mitglied der Gesellschaft".

Mit einem spektakulären Sieg will Tyson sich den Weg zu einem neuerlichen Titelkampf und noch praller gefüllten Fleischtöpfen bahnen. Der frühere Champion der Verbände WBA/WBC/IBF soll schon bald den amtierenden Dreifach-Weltmeister Lennox Lewis (Großbritannien) herauszufordern. Zugleich will der Hamburger Promoter Klaus-Peter Kohl seinem Schützling Witali Klitschko das Enfant terrible Tyson als nächste Beute vorwerfen. Egal, was Tyson auch macht - alle reißen sich um ihn.

(RPO Archiv)
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