Sinsheim/Düsseldorf Jetzt steht Kurz für das Modell Hoffenheim

Sinsheim/Düsseldorf · Im Kraichgau versuchen sie den Absturz des Fußball-Bundesligisten in die Zweitklassigkeit zu verhindern – mit viel Geld von Mäzen Hopp.

Es gibt da dieses eine Datum. Am 5. Dezember 2008 wähnte man sich in Hoffenheim im Klub der Großen endgültig angekommen. An jenem Abend gastierte der Emporkömmling aus dem Kraichgau als Tabellenführer der Fußball-Bundesliga beim FC Bayern München. Die TSG 1899 begeisterte mit einem atemberaubenden Kurzpassspiel. Die Schönheit des von Ralf Rangnick kreierten Spiels stand zumindest für einen kurzen Augenblick über dem Makel, nur ein künstlich hochgezüchtetes Produkt zu sein. Die Bayern behielten zwar die Oberhand (2:1), doch Hoffenheim hatte allen gezeigt, dass es mehr als nur mithalten konnte und wurde gar Herbstmeister.

Sinsheim, Stadtteil Hoffenheim, im Winter 2012. Es ist nicht viel geblieben von der Euphorie. Von schönem Spiel ist schon eine ganze Weile keine Rede mehr. 1899 steht auf Platz 16, akute Abstiegsgefahr. Die Lage war auch schon vor einigen Wochen brenzlig, weshalb Markus Babbel entlassen wurde. Für zwei Spiele betreute U-23-Trainer Frank Kramer den Profikader.

Seit gestern hat der Verein einen neuen Hoffnungsträger. Marco Kurz soll Hoffenheim zunächst in der Bundesliga halten – und im Optimalfall gleich noch eine Perspektive für das künftige Geschäftsmodell entwickeln. "Marco Kurz genießt mein vollstes Vertrauen und größten Respekt. Er hat mich sofort überzeugt, da er sich auch zu hundert Prozent mit dem Projekt identifiziert", sagt Manager Andreas Müller. "Es war mir bei der Entscheidung wichtig, jemanden zu haben, auf den ich mich voll und ganz verlassen kann. Marco und ich kennen uns sehr gut. Zwischen uns passt kein Blatt." Die enge Verbundenheit resultiert wohl aus dem gemeinsamen Wirken bei Schalke 04. Die gebürtigen Stuttgarter holten 1997 mit den Königsblauen den Uefa-Cup. Kurz arbeitete zuletzt beim 1. FC Kaiserslautern. In der Pfalz wurde er im März dieses Jahres nach 16 sieglosen Partien entlassen.

Die Aufgabe in Hoffenheim ist als durchaus heikel zu bezeichnen. Nur drei Punkte trennen die TSG derzeit vom Tabellenschlusslicht SpVgg Greuther Fürth – sieben Zähler Rückstand sind es bereits zum rettenden Ufer. Vor allen Dingen die wacklige Defensive muss der neue Trainer möglichst zeitnah in den Griff bekommen: Mit 41 Gegentreffern in 17 Spielen ist 1899 die "Schießbude" der Liga. Den letzten Sieg gab es am 3. November gegen Schalke (3:2). Es war der einzige Erfolg in den vergangenen zwölf Begegnungen.

In Hoffenheim mangelt es keineswegs an den Möglichkeiten, gleichwohl aber an einer Idee, was man mit dem vielen Geld von Mäzen Dietmar Hopp machen könnte. Das System Hoffenheim ist ins Trudeln geraten, weil es niemanden gibt, der aufzeigt, wohin es gehen soll. Soll da ein Riese der Branche aufgebaut werden, oder doch lieber ein Ausbildungsverein, der auf Talente aus der Region setzt? In den Monaten nach Rangnick (Rücktritt am 1. Januar 2011) durften sich als Trainer Marco Pezzaiuoli, Holger Stanislawski und Babbel versuchen. Auch in der strategischen Abteilung war die Fluktuation gegeben (Ernst Tanner, Babbel, Müller). Dabei gilt der Einfluss von Hopp als größtes Problem. Der Initiator des Projekts hat es nicht verstanden, wirklichen Fußballsachverstand zu integrieren. Immer wieder hängen Entscheidungen von seinem oder dem Wohl ihm nahestehender Berater ab.

Hoffenheim startet am 19. Januar in der Rückrunde – im Heimspiel gegen Mönchengladbach. "Wir haben keinen Zentimeter zu verschenken", sagt Müller – er will dabei finster entschlossen wirken, doch seine Stimme hat nicht die Kraft, um wirklich angsteinflößend zu sein. Es ist anzunehmen, dass Hopp sich noch einmal bereiterklären wird, die Mannschaft mit neuen Kräften zu verstärken. Egal, wie viel es am Ende kostet.

(RP)
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