Leichtathletik: "Kopfgeld-Prämie" sorgte für neue Hinweise Hauptkommissar Uwe Seidel: Wir überprüfen alle

Neuss (sid). Dieter Baumanns "Kopfgeld-Prämie" von 100.000 Mark hat bereits in den ersten 24 Stunden zu rund einem Dutzend neuer Hinweise in der Doping-Affäre um den 5.000-m-Olympiasieger geführt. "Als Täter hat sich allerdings noch keiner der Anrufer bezichtigt. Wir überprüfen alle Hinweise", erklärte Hauptkommissar Uwe Seidel von der Kriminalpolizei Tübingen dem Sport-Informations-Dienst (sid). Die Kripo hat in Absprache mit Dieter Baumann unter der Nummer 07071- 9723333 eine rund um die Uhr zu erreichende Hotline eingerichtet.

Die "Kopfgeld-Aktion", vom Olympiasieger selbst als "Akt der Hilflosigkeit" bezeichnet, hat im Lager der Leichtathletik-Kollegen zwiespältige Reaktionen hervorgerufen. Diskus-Weltrekordler Jürgen Schult: "Ich hoffe, Dieter weiß was er tut. Wenn auf diese Art ein Täter gefunden wird, könnte dies Spitzenathleten dazu animieren, sich freizukaufen", sagt der 39 Jahre alte Vize-Weltmeister zu Baumanns Suche nach dem Zahnpasta-Attentäter.

Ob am Ende der "Mister X" ermittelt wird, bleibt abzuwarten. Auch der Leitende Oberstaatsanwalt Dr. Hans Ellinger (Tübingen) beugt vor: "Falls sich Trittbrettfahrer melden, was bei solchen Geschichten nicht auszuschließen ist, wird deren Glaubwürdigkeit geprüft." Dabei werde sich schnell zeigen, ob diese Person in der Lage gewesen sein könnte, die technisch nicht einfachen Manipulation durchzuführen.

Kugelstoß-Olympiasiegerin Astrid Kumbernuss aus Neubrandenburg bleibt skeptisch hinsichtlich der Baumann-Aktion: "100.000 Mark sind viel Geld. Es gibt genug Leute, die für weniger lügen würden. Und irgendwo ist jeder bestechlich. Aber irgendwie kann ich immer noch nicht so recht an Dieters Schuld glauben. Wenn man so erfolgreich ist, gibt es viele Neider.

"Auch die Aussetzung dieser hohen Belohnung wird Dieter nicht helfen", meint Kugelstoß-As Oliver-Sven Buder (Wattenscheid). Der seit Jahren in Baumanns Schatten stehende Top-Mittelstreckler Rüdiger Stenzel glaubt: "Wenn jemand den Dieter reinlegen wollte, wird er sich natürlich auch jetzt nicht melden. Vielleicht wird aber ein Mitwisser dazu animiert, bei der Polizei anzurufen."

Stenzel, Buder und auch Astrid Kumbernuss haben auf ihre Weise aus dem "Fall Baumann" gelernt. Die dreimalige Weltmeisterin sagt: "Ich habe meine persönlichen Konsequenzen aus diesem Fall gezogen, passe noch besser darauf auf, daß niemand Essen und Getränke manipulieren kann, lasse meine Sporttasche nicht mehr unbeobachtet stehen."

Wenn bis Ende nächster Woche nichts Entscheidendes passiert, wird das Präsidium des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) am 22. Januar dem Unabhängigen Rechtsausschuss des Verbandes empfehlen, Dieter Baumann zu sperren. Erst an diesem Tag wird die Anti-Doping-Kommission (AdK) des DLV nach den beiden positiven A- und B-Proben Dieter Baumanns dem Präsidium ihren Bericht vorlegen und damit die Voraussetzung zur Zwei-Jahres-Sperre schaffen. Präsident Prof. Helmut Digel betonte mehrfach: "Es gibt im Fall Baumann keine Sonderbehandlung."

Die endgültige Sperre durch den Rechtsausschuss kann Anwalt Michael Lehner, den Dieter Baumann ebenso wie die Kriminalpolizei Tübingen als Adresse für sachdienliche Hinweise nannte, durch eine Reihe von Anträgen noch stark hinausschieben. Der Heidelberger Jurist kündigte die Präsentation einer Indizienkette an, "die es unmöglich machen wird, auf einen dringenden Tatverdacht Dieter Baumanns zu schließen."

(RPO Archiv)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort