Handball in Katar Weltmeisterschaft vor leeren Rängen

Doha · Die Sportler werden in Luxusquartieren abgeschirmt, das andere Katar sehen sie nur durch die Fenster des Teambusses.

Der junge Handballprofi steht im Foyer des Hilton-Hotels in Doha, um ihn herum funkelt und glitzert es. Glattpolierter Fußboden, wuchtige Säulen aus Marmor mit arabischen Intarsien, der Blick geht auf den Persischen Golf und den riesigen Swimming-Pool des Hotels. Überall Personal, das kleine Krümel wegwischt und Kaffee anbietet. Die deutschen Handballer bewegen sich wie in einem Märchen aus 1001 Nacht. Ein "Wahnsinn" sei dieser Protz, sagt der junge Mann. "Ich glaube, dass ich vieles erst sehr viel später verarbeiten werde."

Sie sind in der Hauptstadt Katars, um ihrem Job nachzugehen, die Handball-Welt versammelt sich zur WM. Deshalb verlassen sie die Luxusherberge jeden Tag mit einem Luxusbus, um zum Training oder zum Spiel zu fahren. Und wenn sie vor einer Ampel stehen, sehen sie plötzlich eine andere Welt. "Dann sieht man auf einmal einen Bus, der voll ist mit nepalesischen Arbeitern." Menschen, die in sich zusammenkauern, reglos, stumm, die von der Arbeit nach Hause gekarrt werden. Das bewege ihn sehr, sagt der Handballer. "Das ist sehr beklemmend."

Namentlich möchte er nicht auftauchen. Ihm ist bewusst, dass solche Sätze große Schlagzeilen in der Heimat produzieren könnten. Vor dem Turnier hat Bob Hanning, der Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB), den Profis empfohlen, sich mit politischen Statements zurückzuhalten. Das Kerngeschäft sei der Sport, sagte Hanning öffentlich. "Um Politik zu machen, haben wir eine Regierung gewählt."

Mit dieser Haltung steht Hanning nicht allein da. "Natürlich bin ich ein politisch denkender Mensch", sagt Gudmundur Gudmundsson, der isländische Coach des dänischen Teams. "Aber ich bin gezwungen, mich auf meinen Job zu konzentrieren." Andere, etwa der schwedische Teammanager Stefan Lövgren, haben zumindest angedeutet, dass sie mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in dem Wüstenstaat nicht einverstanden sind. Und der deutsche Handballpräsident Bernhard Bauer sagt: "Das ist ein sehr junger Staat. Ich bin sicher, es wird hier gesellschaftliche Veränderungen geben."

Die Nationalspieler sind nicht völlig eingekapselt in ihrem Hotel. Wer in Doha unterwegs ist, stößt unmittelbar auf diesen krassen Kontrast zwischen Arm und Reich, auf den ihr Präsident anspielt. Man erfährt, dass nahezu alles in der Hand der gut 250.000 Katarer ist. Dass die Einheimischen keine Steuern oder Strom zahlen müssen, dass sie eine jährliche Apanage in Höhe von 25.000 Dollar erhalten, dass sie im Supermarkt einen Rabatt von 50 Prozent bekommen, sich an kein Tempolimit halten müssen.

Das Grundgeräusch in Doha ist das Hämmern. Die Presslufthämmer arbeiten Tag und Nacht. Überall stehen turmhohe Kräne. Der Familien-Clan der Al Thanis, denen Katar zu großen Teilen gehört, plant weitere 90 Hotel-Wolkenkratzer, dann wären es 250. Das neueste Prestigeobjekt ist der Bau eines futuristischen Stadtteils namens "Msheireb Downtown". Alles auf diesem 35 Hektar großen Areal soll aus regenerativen Energiequellen gespeist werden, die Autos dürfen nur unterirdisch fahren.

Inmitten dieser ganzen Gebäude wirken die Menschenarmeen, die hier arbeiten, wie Ameisen. Allein 400.000 Nepalesen sollen hier leben, billige Arbeitskräfte, die mit Versprechen nach Doha gelockt werden, die nicht eingehalten werden — und dann bei Temperaturen bis zu 53 Grad Celsius arbeiten müssen. Die Katarer haben bei diesen Menschen kein schlechtes Image. Geschimpft wird auf die Inder; die würden Lizenzen erwerben und die Arbeitskräfte dann ausbeuten.

Die Handball-WM ignorieren diese Wanderarbeiter. Dass die Katarer sich nur selten in die drei Hallen verirren, hat mit ihrer Fankultur zu tun: Live-Sport befremdet sie, niemals würden sie die Spieler des Gegners auspfeifen oder Fangesänge anstimmen. Sie genießen den Handballsport, das ja, er ist sogar nach Fußball der zweitbeliebteste Mannschaftssport. Aber sie genießen ihn zu Hause oder im Wohnmobil in der Wüste. Vor dem Fernseher.

(RP)
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