Handball-WM Paukenschlag: Sigurdsson holt Kraus zurück

Bundestrainer Dagur Sigurdsson hat überraschend Michael Kraus für die WM-Generalproben gegen Tschechien nominiert.

Handball-Profi Michael Kraus vor Sitzung der Anti-Doping-Kommission
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Foto: dpa, chc jai

Die deutschen Handballer waren nach ihrer Island-Reise gerade in Stuttgart gelandet, da sorgte Dagur Sigurdsson für einen Paukenschlag: Der Bundestrainer nominierte vollkommen überraschend den eigentlich schon aussortierten Michael Kraus für die beiden WM-Generalproben gegen Tschechien. Damit dürfte der Spielmacher von Frisch Auf Göppingen im letzten Moment doch noch sein Ticket für die Weltmeisterschaft in Katar (15. Januar bis 1. Februar) lösen.

Sigurdsson ging zunächst nicht näher auf die Berufung des ehemaligen Weltmeisters gut vier Monate nach dessen Freispruch vom Vorwurf eines Dopingkontrollverstoßes ein, sondern begründete seine personellen Wechsel für die Spiele am Freitag in Stuttgart und Samstag in Mannheim mit einer allgemeinen Aussage: "Für die Weltmeisterschaft ist die Breite in der Mannschaft ein entscheidender Faktor. Wir haben im erweiterten Kader viele Möglichkeiten, die wir nutzen können." Kraus schrieb in einer ersten Reaktion auf seiner Facebook-Seite: "Ab zur Nationalmannschaft!"

Ebenso wie Kraus kehren auch der zuletzt angeschlagene Abwehrspezialist und Kreisläufer Hendrik Pekeler (Lemgo) sowie Spielmacher Tim Kneule (Göppingen) in den Kader der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) zurück. Doch keine Personalie ist so brisant wie die Berufung des 31-jährigen Kraus.

Zwar tauchte sein Name im 28 Spieler umfassenden WM-Kader auf, doch kurz vor Weihnachten fand Kraus in Sigurdssons vorläufigem Kader für den Jahreshöhepunkt keine Berücksichtigung. Die Spiele in Reykjavik gegen Gastgeber Island (31:24, 24:25) verfolgte Kraus nur aus der Heimat.

Umso verwunderlicher ist nun Sigurdssons Kehrtwende. Der WM-Fünfte offenbarte in den Spielen beim Olympiazweiten von 2008 zwar im Angriff einige Schwächen, doch das Kapitel Kraus schien auch mit Blick auf die Zukunft beendet. Zuletzt trug Kraus, der zwischen Genie und Wahnsinn, Welt- und Kreisklasse pendelt, im vergangenen Sommer bei den beiden Niederlagen in den WM-Play-offs gegen Polen das Nationaltrikot. Dass die deutschen Handballer, und nun wohl auch Kraus, doch an der WM teilnehmen dürfen, haben sie einzig einer umstrittenen Wildcard des Weltverbandes IHF zu verdanken.

Kraus soll für Kreativität sorgen

Sigurdsson verspricht sich durch Kraus mehr Kreativität im Offensivspiel und eine größere Torgefahr aus dem Rückraum. Dabei zeigte sich der Bundestrainer trotz der ersten Niederlage im sechsten Spiel unter seiner Regie durchaus zufrieden. "Es hat mich zwar ein wenig geärgert, dass wir viele Chancen ausgelassen haben. Aber insgesamt haben sich einige Spieler sehr gut präsentiert. Das ist positiv", sagte der Isländer nach dem zweiten Vergleich binnen 24 Stunden gegen seine Landsleute.

Gut eine Woche vor WM-Beginn sah er sich in seiner vorherigen Einschätzung bestätigt. Auf die Torhüter Silvio Heinevetter und Carsten Lichtlein ist Verlass, die Abwehr wird durchaus internationalen Ansprüchen gerecht, doch im Angriff gibt es noch einige Verbesserungsmöglichkeiten.

"Aus unseren Fehlern müssen wir lernen und die freien Dinger reinmachen. Dann gewinnt man solche Spiele auch", sagte Teammanager Oliver Roggisch angesichts der mangelhaften Chancenverwertung und einiger technischer Fehler im Angriffsspiel, die immer wieder zu leichten Gegentoren führten. Unter Berücksichtigung des 31:24-Erfolges im ersten Vergleich mit Island "ist der Gesamteindruck der beiden Spiele positiv", so der Weltmeister von 2007: "Wir sind auf dem richtigen Weg."

Auf der Island-Reise machten einige der jüngeren bzw. international unerfahrenen Spieler wie Erik Schmidt (21/Ludwigshafen-Friesenheim) und Jens Schöngarth (26/Lübbecke) auf sich aufmerksam. Man werde alles auswerten und dann die Entscheidungen für die weitere Reise treffen, sagte der Bundestrainer.

Bis zum 15. Januar muss Sigurdsson seinen 16er-WM-Kader benennen, er wird aber voraussichtlich mit 18 Spielern, darunter drei Torhüter, am 13. Januar nach Doha reisen. Drei Tage später (16.) steht das Auftaktspiel gegen Polen an. Zudem trifft die DHB-Auswahl in der Vorrunde auf Dänemark, Russland, Saudi-Arabien und Argentinien. Die jeweils ersten vier Teams der vier Gruppen ziehen ins Achtelfinale ein.

Der Kader für die Spiele gegen Tschechien:

Silvio Heinevetter (Füchse Berlin), Carsten Lichtlein (VfL Gummersbach), Andreas Wolff (HSG Wetzlar), Stefan Kneer (Rhein-Neckar Löwen), Uwe Gensheimer (Rhein-Neckar Löwen), Johannes Sellin (MT Melsungen), Patrick Wiencek (THW Kiel), Hendrik Pekeler (TBV Lemgo), Patrick Groetzki (Rhein-Neckar Löwen), Steffen Weinhold (THW Kiel), Tim Kneule (Frisch Auf Göppingen), Martin Strobel (HBW Balingen-Weilstetten), Erik Schmidt (TSG Ludwigshafen-Friesenheim), Michael Kraus (Frisch Auf Göppingen), Michael Müller (MT Melsungen), Jens Schöngarth (TuS N-Lübbecke), Matthias Musche (SC Magdeburg), Fabian Böhm (HBW Balingen-Weilstetten), Paul Drux (Füchse Berlin)

(sid)
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