Trotz Aus im WM-Halbfinale Prokops Plan ist aufgegangen

Herning · Handball-Bundestrainer Christian Prokop stand nach der blamablen EM 2017 bei der WM im eigenen Land unter besonderer Beobachtung. Auch ohne Medaille war das Turnier ein Erfolg. Und der ist Sinnbild der Entwicklung des Trainers.

Das ist Christian Prokop
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Foto: dpa, frg nic

Wie schnell die Zeit vergeht. Und wo ist das Jahr wieder geblieben? Entschuldigend kommen solche Sätze daher, wenn es um verfehlte persönliche Ziele geht. Christian Prokop würde sie nicht nutzen. Ein Jahr ist vergangen, seitdem er kurz vor dem Aus als Handball-Bundestrainer stand. Als erfolgreicher, junger Bundesliga-Trainer ins Amt berufen, folgte bei der WM 2018 der harte Absturz. Ein Jahr ist vergangen, in dem der 40-Jährige in seine Rolle hineingewachsen ist.

Prokops Wandlung war in zweieinhalb Turnierwochen an jedem Tag zu sehen, zu hören und zu spüren. Wie sehr ihn die Erfahrungen der vergangenen Monate geprägt haben, zeigte sich vor allem in einem Statement des Trainers: „Natürlich ist es schön. Wir erleben gerade die geilste Zeit unseres Berufslebens“, hatte Prokop nach dem Hauptrunden-Spiel der deutschen Handballer gegen Kroatien gesagt. Der WM-Gastgeber hatte vorzeitig das Halbfinale erreicht, das Minimalziel erfüllt, Euphorie entfacht. Prokop sagte aber auch dies: „In diesem Job ist es manchmal sehr schwierig, manchmal richtig toll. Es ist schön, im Moment auf der Sonnenseite zu stehen.“

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Foto: dpa/Ludvig Thunman

Im Februar 2018 hatte Prokop die dunkelsten Schattenseiten dieses Jobs kennengelernt. Bei der Europameisterschaft belegte das Nationalteam nur Platz neun. Schlimmer noch. Tiefe Gräben hatten sich zwischen Prokop und einigen Führungsspielern aufgetan. Prokop hatte es selbst erkannt: Zu hart, zu kritisch, zu vernarrt in seine Ideen sei er gewesen. Kaum jemand hatte gedacht, dass er es schaffen könnte, ein Team zusammenzustellen, das bei der WM in Deutschland und Dänemark konkurrenzfähig ist und ihn auch noch respektiert.

Prokop hat seine Fehler nicht wiederholt. Er hatte sich im Herbst gut überlegt, auf welche Spielertypen er setzen will. Ausdrücklich nannte Prokop als Kriterien: Charakterstärke. Emotionalität. Teamgeist. Das aktuelle WM-Team hat dies von Spiel eins an auf die Platte gebracht. Selbst die Nachnominierten schwärmten: „Es war nicht schwer, sich schnell  einzufinden. Es herrscht eine so gute Stimmung“, sagte Tim Suton, der für den verletzten Mittelmann Martin Strobel (Kreuzbandriss) ins Turnier kam. Prokop setzte auf die Kaderbreite und das Miteinander. Beides waren Erfolgsfaktoren. Dass Norwegen, Frankreich und sicher auch die Dänen spielerisch zu stark waren, darauf hatte Prokop dann keinen echten Einfluss mehr.

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„Das ist brutal, das ist bitter“

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Anders als zuvor wirkte der Trainer ruhiger und souveräner. Er ließ sich Zeit, ehe er auf Medienfragen antwortete. Und wirkte nicht wie das angeschossene Reh, sondern wie der besonnene Mediator. Die Taktiktafel blieb in Auszeiten während der Spiele meist in der Tasche. Im Timeout gegen Brasilien, da hat er dem Team folgendes gesagt: „Paul kommt rein. Also, was wollt ihr spielen?“ Prokop hat der Mannschaft eine Stimme gegeben und aus dem „Ich“ ein „Wir“ gemacht. An spielfreien Tagen durften die Nationalspieler ihre Zeit selbst gestalten.  So konnte das Vertrauen wachsen – beiderseits.

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Foto: dpa/Axel Heimken

Bei dieser WM ging es zweifelsohne auch um die Zukunft von Prokop als Bundestrainer. Nun ist er der Hoffnungsträger für die EM 2020 und natürlich Olympia 2020. Der 40-Jährige weiß jetzt, wie vergänglich Erfolg sein kann. Er weiß diesmal aber auch, was auf ihn zukommt.

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