25:25 gegen Frankreich Deutschland fehlt noch der Killerinstinkt

Berlin · Die deutsche Handball-Nationalmannschaft ließ beim 25:25 gegen Frankreich am Ende einmal mehr den Killerinstinkt vermissen. Pechvogel war diesmal Fabian Böhm, der in zwei entscheidenden Momenten patzte.

Handball-WM 2019: Deutschland gegen Frankreich - die Bilder des Spiels
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Deutschland - Frankreich: die Bilder des Spiels

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Foto: dpa/Soeren Stache

Die Reaktionen nach dem Spiel am Dienstagabend ließen tief ins Innere der deutschen Spieler blicken. Die Charakterstudie in der Berliner Arena begann bei Torwart Andreas Wolff, der in sein Trikot biss und seiner Wut freien Lauf ließ. Hinter ihm tobte sich Uwe Gensheimer am Torpfosten aus. Drei, vier Mal gab er dem schwarz-weiß gestreiften Aluminium einen saftigen Tritt mit. Als wolle er ihn dafür bestrafen, dass er beim letzten Wurf der Franzosen in letzter Sekunde nicht einige Zentimeter weiter links gestanden und somit das bittere 25:25 verhindert hatte.

„Ich bin froh, dass ich mir nicht den Fuß gebrochen habe“, sagte Gensheimer wenig später nach dem vierten WM-Gruppenspiel der deutschen Handballer. Er schaffte es kurz, ein wenig zu lächeln. Angefressen wirkte der Kapitän des DHB-Teams immer noch. „Wir können aber stolz sein auf den Kampf und das Herz, das wir auf die Platte gelegt haben.“

Gensheimer sprach von mental sehr schwierigen Spielen, die Deutschland in der WM-Gruppenphase gegen Russland (22:22) und am Dienstagabend gegen Weltmeister Frankreich (25:25) gehabt habe. „Das geht nicht spurlos an einem vorbei“, sagte Gensheimer. Und obwohl die deutsche Mannschaft tatsächlich eine über weite Strecken tolle Leistung gezeigt hatte, musste man genau diese Befürchtung fast haben: dass das Negative spurlos vorbeigeht, etwa an Pechvogel Fabian Böhm.

Handball-WM 2019: Deutschland gegen Frankreich - die Einzelkritik
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Deutschland - Frankreich: die Einzelkritik

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Am Montag gegen Russland noch war es Paul Drux gewesen, der den entscheidenden Fehlpass gespielt hatte. Drux (23) kam anschließend mit gesenktem Kopf von der Platte und wirkte, als werde ihm diese Szene mindestens noch diese Nacht große Einschlafprobleme bereiten. Böhm hingegen schien seine Patzer schnell überwunden zu haben. Keine offensichtliche Wut, keine extrovertierte Trauer. Dabei hatte Böhm den fatalen Fehlpass gespielt und wenig später zwei Minuten kassiert– beides Aktionen, die Deutschland gegen Weltmeister Frankreich den Sieg gekostet hatten.

Der Blick des linken Rückraumspielers war vollkommen leer. Und ähnlich ausdruckslos ging Böhm auf der kleinen Bühne vor den Journalisten dann auch seine Spielanalyse an. Beim Stand von 25:24 hatte Böhm von Bundestrainer Prokop in der Auszeit die Anweisung bekommen, auf die Abwehr zu gehen und Initiative zu ergreifen. Prokop hatte die Verantwortung dem „bedingungslosen Krieger“ übertragen – als solchen hatte er den Hannoveraner vor der WM charakterisiert. Doch Böhm konnte der Verantwortung nicht standhalten. Mehr Gefolgsmann als Krieger, hatte er das Anspiel auf Kapitän Gensheimer gewählt – und den Ball an den Gegner verloren.

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Nun sprach er im Stakkato über Atmosphäre und Leistung der Deutschen: „Die Zuschauer haben ein tolles Spiel gesehen. Wir hatten einen sehr, sehr guten Auftritt. Es hat Spaß gemacht, heute Handball zu spielen“, sagte Böhm. „Im Nachhinein ist es ein bisschen schade, dass wir nur mit einem Punkt rausgehen, aber ich glaube, vorher hätten wir den Punkt gerne angenommen.“ Ein bisschen schade fand er das.

Angesprochen auf die Schlussszene gab Böhm zu, dass er Gensheimer den Pass geben wollte, weil der „einen guten Tag hatte“, so Böhm: „Unglücklich. Muss ich besser drauf reagieren in der Situation. Ganz klar mein Fehler.“

Es war das zweite Mal, dass Deutschland erst in der „Crunchtime“ genannten Endphase eines Handballspiels den Sieg hergeben musste. Nun zählen Gier, Leidenschaft, Wille und Wut zu den Attributen, die Champions an den Tag legen. Genügsamkeit darf nicht dazugehören.

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 Deutschlands Torwart Andreas Wolff reagiert auf das Remis.

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Bundestrainer Christian Prokop war bei allem Ärger angesichts des späten Ausgleichs dennoch zufrieden: „Wir sind überglücklich, dass wir dem amtierenden Weltmeister einen Punkt abluchsen konnten. Ich bin sehr stolz.“ Die Mannschaft habe sich auf die Fahnen geschrieben, neben einer numerisch erfolgreichen WM auch mit ihrer Art und Weise des Spielens zu überzeugen. „Das gibt uns Selbstvertrauen. Irgendwann werden wir uns belohnen.“ Fürs Belohnen wäre dann aber dringend mehr Killerinstinkt nötig.

(ball)
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