Nach der WM ist vor der EM Der deutsche Handball will langsam wachsen

Düsseldorf · Die WM war ein Erfolg, aber sie ist vorbei. Fortschritte muss der Handball im Alltag erzielen. Dort gibt es jede Menge Baustellen, aber auch Ideen. Und es gibt am Horizont neue Höhepunkte, die bei der Weiterentwicklung helfen sollen.

 Fans in der Kölner Arena mit der Marschroute für den deutschen Handball.

Fans in der Kölner Arena mit der Marschroute für den deutschen Handball.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Auch nach einer erfolgreichen Weltmeisterschaft darf man mal genervt sein. Oder gerade wegen einer erfolgreichen WM. Mark Schober stand da jedenfalls als Vorstandsvorsitzender des Deutschen Handball-Bundes (DHB) auf der SpoBis-Bühne in der Düsseldorfer Messe und war genervt. „Wir werden ja jetzt jeden Tag gefragt: Wie nutzt ihr den WM-Erfolg nachhaltig? Das geht mir schon auf den Keks. Aber wir versuchen, auch darauf Antworten zu geben“, sagte Schober. Und darum geht es in den kommenden Wochen und Monaten: Antworten finden. Darauf, wie es gelingen kann und soll, den Handball abseits einer Leuchtturmveranstaltung wie der WM im eigenen Land weiterzuentwickeln. Und wenn das Ganze dann das Etikett „nachhaltig“ bekommen soll, dann bitteschön.

Schober ist überzeugt davon, dass es gelingen kann, den Handball voranzubringen. Muss er qua Amt, aber er sagt auch, wie das gehen soll. Eben nicht vornehmlich durch eine zeitlich begrenzte Begeisterung im Januar, sondern durch akribische Schwarzbrot-Arbeit auf allen Ebenen. Tag für Tag. „Nachhaltig sein, heißt für mich, strategisch zu arbeiten. Und wir arbeiten dauerhaft strategisch, nicht nur, wenn wir eine Weltmeisterschaft haben“, sagte der 46-Jährige. „Die WM gibt natürlich einen Peak, aber den wird man nicht auf dem Niveau halten können. Das ist völlig unrealistisch. Wir werden langsam wachsen, und das können wir, weil wir ARD und ZDF in den nächsten fünf Jahren im Boot haben, dadurch, dass wir die EM 2024 im eigenen Land haben.“

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Foto: dpa/Axel Heimken

Ausgehen soll die Entwicklung von einer DHB-Führungsebene, die sich unlängst umstrukturiert hat. Professionalisiert hat. Mit einem geschäftsführendem Vorstand, dem Schober vorsteht. Ein siebenstelliger Betrag bleibe für den DHB von der WM hängen. „Und dieses Geld werden wir in den Sport reinvestieren können“, sagte Schober.

Doch der Erlös der Weltmeisterschaft allein wird die Zukunft des deutschen Handballs nicht tragen können. Deswegen will DHB-Präsident Andreas Michelmann die Mitgliedsbeiträge deutlich anheben. „Wir müssen vom Almosen zum Beitrag übergehen. Die Franzosen kassieren rund zwölf Euro pro Handball spielendem Menschen, bei uns sind es gut 80 Cent“, sagte Michelmann den „Lübecker Nachrichten“. Alle in der DHB-Führung wissen indes, wie heikel das Thema Beitragserhöhung ist. Der Deutsche Schwimm-Verband scheiterte erst im Dezember daran, erstmals seit 30 Jahren die Beitrage zu erhöhen – um 60 Cent pro Jahr und Mitglied. Dennoch sieht Michelmann keine Alternative, um Leuchtturmprojekte wie den Bau einer Akademie nach französischem Vorbild umzusetzen. „Es wird endlich Zeit, dass wir das Jammern einstellen. Die Beitragserhöhung ist eine absolute Notwendigkeit“, betonte der DHB-Boss.

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Foto: dpa/Petr David Josek

Oft ist in diesen Tagen die Rede vom WM-Titel 2007 und der Frage, ob der Handball damals profitieren konnte. Schober will diese Frage nicht beantworten. Er könne es nicht, sagte er. „Wir wissen nicht, wie viele Mitglieder wir heute hätten, wenn wir 2007 nicht so eine erfolgreiche WM gespielt hätten. Vielleicht hätten wir dann heute keine 650.000, sondern nur 400.000“, erklärte Schober. „Wir sind anders aufgestellt als 2007, heute haben wir 50 Mitarbeiter, nicht 20. Aber letztlich reicht auch das nicht aus, wir haben immer noch zu wenig Sporthallen und Trainer. Es gibt noch eine Menge Baustellen.“

Fünf Jahre sind es bis zum nächsten großen Peak, der Heim-EM 2024 mit dem Eröffnungsspiel in Düsseldorf. Das ist ein Ziel, auf das sich der Handball hinbewegen will. Über kleinere Peaks hinweg. Über das All Star Game der Bundesliga am Freitag in Stuttgart, das schon ausverkauft ist. Über das Länderspiel gegen die Schweiz am 9. März in Düsseldorf. Und über die kommende EM im Januar 2020 in Österreich, Schweden und Norwegen. „Ich bin ein großer Freund davon, dass wir jedes Jahr eine WM oder EM haben. Für mich ist dieser Januar extrem wichtig“, sagte Schober. Über allem thront aber das Ziel Olympiasieg in Tokio. Gelingt das im kommenden Sommer, könnte Schober wohl jede neue Frage nach der Nachhaltigkeit verschmerzen. (mit dpa)

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