Köln feiert das deutsche Nationalteam Jeck op Handball

Köln · Bei der Heim-WM 2019 berauscht sich das deutsche Nationalteam an der Partykulisse in Köln. Den Gastgeber in dieser Arena zu schlagen, wird schwer werden. Doch Kroatien wird am Montag ein harter Prüfstein.

 Das deutsche Team vor dem Spiel in Köln gegen Island.

Das deutsche Team vor dem Spiel in Köln gegen Island.

Foto: dpa/Marius Becker

Die Augen geweitet, die Brust vor Stolz geschwellt, verließen die Handball-Helden die Kölner Arena, nachdem sie noch Minuten nach Abpfiff von der Stimmung gekostet hatten. „Deutschland, Deutschland“ und „Viva Colonia“, skandierten die 19.250 Zuschauer, während und noch lange nachdem Island mit 29:24 (14:10) besiegt war. Sportlich war der erste Hauptrunden-Auftritt bei dieser WM ein Arbeitssieg. Begleitet war er von einer rauschenden Handballfete, wie sie wohl nur in genau dieser Arena gefeiert werden kann.

Schleichend aber stetig ist das Handball-Thermometer in der Bundesrepublik gestiegen. Zunächst noch in der Gruppenphase in Berlin. Und dann kam dieser Samstagabend in Köln: „Ohne Berlin zu nahe treten zu wollen, aber das heute war der absolute Wahnsinn“, sagte Kreisläufer Jannik Kohlbacher. „Einfach unglaublich, wie einen das Publikum pusht“, staunte Spielmacher Martin Strobel. Bundestrainer Christian Prokop sagte: „Das ist die schönste Zeit, die wir erleben.“

Handball-WM 2019: Deutschland - Island, die Einzelkritik
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Deutschland - Island: die Einzelkritik

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Das deutsche Team hatte gegen Island ohnehin einen Traumstart erwischt. Der Abwehrverbund um Torwart Andreas Wolff und Verteidiger Patrick Wiencek war auch im ersten Spiel in der WM-Hauptrunde erneut das Fundament des siegreichen Auftritts. Mit seinen sechs Toren war Rückraumspieler Steffen Fäth der treffsicher im Angriff und verließ die Halle als Spieler des Spiels. Sogar der nachnominierte Kai Häfner, der für Youngster Franz Semper (21) ins deutsche Team gerückt war, durfte WM-Minuten sammeln, konnte ein Tor erzielen – und die Kraft von den Rängen aufsaugen.

Immer dann, wenn Deutschland wegen einer Zeitstrafe in Unterzahl agieren musste, stand die gesamte Fanschaft vor ihren Sitzen. Sie wirbelte Deutschland-Flaggen durch die schwere Hallenluft und sorgte dafür, dass das Momentum stets auf Seiten der Deutschen lag. Die Karnevalsstadt machte ihrem Ruf alle Ehre – bewies aber auch Fingerspitzengefühl im zweifellos rührendsten Moment des Abends. In der Halbzeitpause hatte es einen feierlichen Empfang für die Weltmeister von 1978 gegeben. Als die Handball-Legenden auf die Platte kamen, sorgten die Fans für eine Lichtershow. Sie erhoben sich von ihren Sitzen und sangen Joachim Deckarm (65) ein Geburtstagsständchen, ehe die Party mit der aktuellen Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) weiterging.

Handball-WM: 20.000 Fans feiern Joachim Deckarm an seinem 65. Geburtstag
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Handball-Fans feiern Joachim Deckarm an seinem 65. Geburtstag

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Nicht wenige dürften sich am Samstag in dieser Traumkulisse an den Moment vor zwölf Jahren erinnert haben, als Deutschland in der Kölner Arena den WM-Pokal gewann. Auch jetzt ist das Team im Turnier unbesiegt. 5:1-Punkte hat Deutschland auf dem Konto. Gegen Island gelang ein weiterer Schritt Richtung WM-Halbfinale.

Die Nationalspieler selbst blieben trotz aller Euphorie ihrer Linie treu. Keiner ließ sich auf Gedankenspiele ein, wie weit der Ritt auf der Euphoriewelle im Turnier denn noch gehen könne. Von Spiel zu Spiel denken – das war und bleibt die Devise. Das heißt, dass sich nun alles um Kroatien (Montag, 20.30 Uhr/ZDF) dreht.

Als einziges Team zogen die Kroaten mit vier Zählern in die Kölner Hauptrundengruppe ein. Sie haben in der Vorrunde bereits Europameister Spanien zur Verzweiflung gebracht, bei ihrem Sieg einen Lauf mit 5:0-Toren hingelegt und dem Europameister mit ihrer unermüdlichen 5:1-Abwehr den Zahn gezogen. Experten hatten die „Kauboji“ (zu dt. „Cowboys“) schon vor der WM als Titelfavorit auf dem Zettel.

Dieses zweite Spiel ist die erste Reifeprüfung der Deutschen: In Trainerlegende Lino Cervar (68), der Kroatien 2004 zu Olympia-Gold geführt hatte, sitzt das Pendant zum jungen Prokop (40) auf der Bank. Torwart Marin Sego war bislang so stark wie Andreas Wolff. Und mindestens Kroatiens ewiger Antreiber Domagoj Duvnjak muss noch genannt werden. Der schlaksige Spielmacher des THW Kiel überzeugt auf dem Feld (15 Tore/56 Prozent Quote) und hat in der Münchner Olympiahalle auch die rot-weiß-blaue Fanschar schon zu lautstarken Rufen und Gesängen animiert. Denn was Berlin für das DHB-Team war, war München für die Kroaten.

Tausende Fans haben das Turnier bislang zu einer Art Heim-WM für die Kroaten gemacht. Es könnte am Montag auf den Tribünen zum Duell um die Stimmungshoheit kommen, sollten viele Kroaten in die Domstadt reisen. Prokops Appell beweist, dass er um die Kraft des Publikums, um die Kraft des Momentums weiß: „Wir werden ein emotionales Feuerwerk brauchen.“

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