Gummersbach aus Handball-Bundesliga abgestiegen „Künftig fehlt ein großer Name"

Hamburg · Der VfL Gummersbach ist erstmals aus der Bundesliga abgestiegen. Nach Jahren des Sinkflugs hat es den Altmeister und letzten Liga-Dino an Pfingsten erwischt. Handball-Deutschland trauert.

So reagiert das Netz auf den Gummersbach-Abstieg
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Foto: dpa/Christoph Schmidt

Die Nacht war zu kurz, um all die Tränen zu trocknen. "Das ist bitter und schmerzt auch für mich persönlich", sagte Vereinsikone Heiner Brand am Pfingstmontag. Auch am Tag danach stand der VfL Gummersbach unter Schock, ob des ersten Bundesliga-Abstiegs nach 53 Jahren herrschte rund um den Klub eine Mischung aus Fassungslosigkeit, Entsetzen und tiefer Trauer.

"Es tut weh, wenn der eigene Verein abgeht", sagte Brand, der noch immer große Mühe hatte, die Fassung zu wahren, und sprach von einem "großen Verlust für die Handball-Bundesliga. Künftig fehlt ein großer Name." Um genauer zu sein: Der letzte große (Gründungs-)Name.

Und während selbst Flensburgs Meistertrainer Maik Machulla die Situation rund um den Traditionsklub aus dem Bergischen Land, Altmeister und Heimatverein einiger der größten deutschen Handballer wie Brand, Hansi Schmidt, Joachim Deckarm und Erhard Wunderlich, als "unglaublich dramatisch" einstufte, titelte Spiegel Online nach dem Herzschlagfinale knallhart: "Tradition in Trümmern".

Ein Törchen fehlte Gummersbach am Ende zur erneuten Last-Minute-Rettung. Das 25:25 bei der SG BBM Bietigheim reichte dem letzten Dino des deutschen Handballs nicht zum Überleben, weil die Eulen Ludwigshafen durch einen Treffer 28 Sekunden vor dem Ende 31:30 gegen GWD Minden gewannen. "Es ist schwer, Worte zu finden. Die Bilder sprechen für sich, man sieht weinende Männer", sagte VfL-Trainer Torge Greve völlig niedergeschlagen bei Sky.

Allerdings hatte es Gummersbach am Pfingstsonntag selbst in der Hand, das lange Jahre Undenkbare doch noch zu verhindern. Mit einem Sieg hätte der zwölfmalige Meister die Rettung aus eigener Kraft geschafft. "Das ist schon ein hartes Brett", sagte der frühere Gummersbacher Kult-Keeper Andreas Thiel. Er hofft nun auf einen neuen Anfang im Unterhaus. "Der Wiederaufstieg", sagte Thiel, "ist nicht unmöglich. Man muss mit Verstand für die nächste Saison eine Mannschaft zusammenstellen. Die Chance zum kompletten Reset ist jetzt da."

Ähnlich äußerte sich auch Weltmeister-Trainer Brand. Man müsse nun "die sportlichen und organisatorischen Voraussetzungen" für die sofortige Bundesliga-Rückkehr schaffen. "Man darf jetzt aber nicht im Überschwang der Gefühle handeln, sondern muss ein vernünftiges Konzept entwickeln. Das wird nicht einfach", sagte Brand, "aber die Chance ist da. Ich wünsche mir, dass der VfL zurückkommt. Gummersbach gehört einfach in die Bundesliga."

Überraschend kommt der Gummersbacher Abstieg aber auch für Brand nicht, der VfL befindet sich seit Jahren im Sinkflug. Der letzte der insgesamt elf (!) Europacupsiege datiert aus dem Jahr 2011, der letzte Meistertitel liegt weitere 20 Jahre zurück, zuletzt wurde der Ligaverbleib als Tabellen-15. zweimal nur mit Ach und Krach gesichert. Und auch wirtschaftlich konnte Gummersbach ganz vorn schon lange nicht mehr mithalten. Immer wieder gab es Probleme mit dem lieben Geld, erst kürzlich hakte es wieder bei der Lizenz für die kommende Saison.

Auf den ersten Blick erinnert das Schicksal des tief gefallenen Traditionsklubs, der den deutschen Handball über Jahrzehnte im In- und Ausland geprägt hat, stark an das der Fußballer des Hamburger SV. Mehrfacher deutscher Meister, Europokalsieger, feste Größe in der Eliteliga über ein halbes Jahrhundert: Auch die Hanseaten galten in der Republik als letzte Dinos, bevor sie - um im Bild zu bleiben - am 12. Mai 2018 nach 55 Jahren und am Ende qualvollem Kampf ausstarben.

(sef/sid)
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