Bayer Dormagen Der Handball-Talentschuppen

Dormagen · Simon Ernst, Lukas Stutzke, Julian Köster – bei Zweitligist TSV Bayer Dormagen werden Handballtalente für den Rückraum in Serie produziert. Woran liegt das? Es gehe darum, früh Verantwortung zu übernehmen, sagt der Verein.

 Simon Ernst (r.) erlitt schon den dritten Kreuzbandriss.

Simon Ernst (r.) erlitt schon den dritten Kreuzbandriss.

Foto: dpa/Andreas Gora

16 Jahre gehörte der TSV Bayer Dormagen der Handball-Bundesliga an. In der „ewigen Tabelle“ reichen 174 Siege, 44 Unentschieden und 272 Niederlagen immer noch zu Rang 18. Angesichts eines Etats von knapp einer Million Euro, die der Zweitligist derzeit aufbringt, ist die Wahrscheinlichkeit einer besseren Platzierung jedoch eher gering. Es sei denn, für das ständige Hervorbringen von Talenten gäbe es Zusatzpunkte ...

„Ich glaube schon, dass wir deutschlandweit eine gute Adresse in Sachen Nachwuchsarbeit sind,“ sagt Dormagens Handball-Geschäftsführer Björn Barthel. Neuester Beleg: Als Christian Prokop vor den beiden Länderspielen gegen Kroatien (26:25, 24:23) die Rückraumspieler ausgingen, berief der Bundestrainer etwas überraschend Lukas Stutzke ins Aufgebot. Der 21-Jährige durfte beim „Tag des Handballs“ in der mit 10.000 Zuschauern ausverkauften Arena in Hannover für ein paar Minuten aufs Parkett. „Es war eine mega-geile Erfahrung, schon beim Einlaufen hatte ich eine Gänsehaut,“ sagt Stutzke und sieht sich für die Zukunft „im erweiterten Kader“.

Der Rotschopf im linken Rückraum war 17, als er vom TuS Opladen zum TSV Bayer Dormagen wechselte, und damit eher ein Spätberufener. „Die meisten Talente kommen im ersten B-Jugendjahr, also mit 15, zu uns,“ sagt Barthel. So wie Simon Ernst, der 2009 das Trikot des Birkesdorfer TV mit dem der Dormagener vertauschte. „Anfangs hat er noch in Birkesdorf gespielt und bei uns trainiert,“ erinnert sich Barthel. Auch später hieß das für ihn beziehungsweise seine Eltern: tägliche Fahrten von Düren nach Dormagen in die Handballhalle.

Barthel sieht da durchaus einen Zusammenhang: „Nur wer sich durchbeißt, kommt nach oben.“ Die Motivation, die „Bereitschaft, mehr zu tun als andere und auch mal Rückschläge wegzustecken,“ hält der Geschäftsführer, der zuvor ein Jahrzehnt als hauptamtlicher Jugendtrainer und -koordinator beim TSV arbeitete, für wichtiger als handballerisches Talent. Vielleicht hilft diese Eigenschaft Simon Ernst ja auch aus der Krise. Der Europameister von 2016 zog sich vor zwei Wochen, im Bundesligaspiel seiner Füchse Berlin gegen Stutzkes Bergischen HC, den dritten Kreuzbandriss seiner noch jungen Karriere zu. Ob der 25-Jährige sie überhaupt fortsetzen kann, scheint deswegen mehr als fraglich. „Wir wünschen es ihm alle,“ sagt Barthel und kann die Einschätzung von Füchse-Trainer Velimir Petkovic, Simon Ernst sei „ein ganz besonderer Handballer“, nur bestätigen.

Möglich, dass sein Nachfolger schon heranwächst, und das ebenfalls beim TSV Bayer Dormagen: Julian Köster wurde im Sommer mit der Junioren-Nationalmannschaft (U 19) Vize-Weltmeister und dabei zum „besten Abwehrspieler“ des Turniers gewählt. Experten bescheinigen dem Zwei-Meter-Schlaks, schon weiter zu sein als Simon Ernst zum gleichen Zeitpunkt. Im Dormagener Zweitliga-Team, nach dem ersten Saisonviertel auf Platz acht der Tabelle, ist der 20-Jährige, der 2015 vom TuS Brauweiler in die B2-Jugend wechselte, eine feste Größe. Das, sagt Barthel, sei ein wesentlicher Unterschied zu den Talentschmieden, die Erstligisten selbst unterhalten: „Bei uns bekommen junge Spieler schon früh viele Spielanteile und lernen, Verantwortung zu übernehmen.“ Das hat sich herumgesprochen in der Handballszene, Talente klopfen von sich aus in Dormagen an. Die schulischen Rahmenbedingungen mit einem Teil- und einem Vollzeitinternat tun ein Übriges, „außerdem versuchen wir, Ausbildungsplätze zu vermitteln,“ sagt der Handball-Geschäftsführer. Trotz allem seien aber „gute Trainer“ das A und O guter Nachwuchsarbeit, „wer daran spart, spart am falschen Ende.“

Genau darum würde sich Barthel, der als Vertreter der Zweitliga-Klubs im Präsidium der Handball-Bundesliga (HBL) sitzt, eine Regelung ähnlich der im Fußball wünschen. Denn Handballer wechseln nach Vertragsende ablösefrei, eine Ausbildungsvergütung gibt es nicht. Bleibt die Ehre – und die Hoffnung auf neue Talente: A- und B-Jugend der Dormagener führen ihre (höchsten) Spielklassen jeweils ungeschlagen an.

(-vk)
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