Handballer Julius Kühn im Interview „Es ist schwer, mit dem WM-Aus umzugehen“

Düsseldorf · Julius Kühn hat nach seinem Kreuzbandriss nach wie vor schwer daran zu knabbern, die Heim-WM 2019 zu verpassen. Der Handball-Nationalspieler spricht über den Moment der Diagnose, die WM-Chancen von Deutschland und seine Comeback-Pläne.

 Julius Kühn (25) im Trikot der deutschen Nationalmannschaft.

Julius Kühn (25) im Trikot der deutschen Nationalmannschaft.

Foto: Imago/dpa, gk soe nic

Der deutsche Bundestrainer Christian Prokop nannte es eine „furchtbare und schlimme Nachricht“. Und Bob Hanning, Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB), sprach von einem „Drama“: Im EM-Qualifikationsspiel im Kosovo Ende Oktober dominierte das deutsche Nationalteam nach Belieben. Souverän gewann sie (30:14) – und verlor doch: Denn Rückraumspieler Julius Kühn zog sich in der 37. Minute einen Kreuzbandriss zu. Die schwere Knieverletzung bedeutet das Ende seines Traums: Kühn, Spieler der MT Melsungen und eigentlich unverzichtbare Säule im Nationalteam, wird nicht an der WM in Deutschland und Dänemark im Januar teilnehmen können. Auch sechs Wochen danach ist dem in Duisburg geborenen Handball-Nationalspieler die Enttäuschung anzumerken.

Herr Kühn, wie ist Ihre Knie-Operation verlaufen?

Julius Kühn Die OP ist sehr gut verlaufen, alles einwandfrei. Derzeit bin ich in der Reha in München. Der Arzt sagt, dass der Heilungsprozess wahnsinnig gut voranschreitet.

Und Ihre mentale Verfassung?

Kühn Mental macht mir die Verletzung nach wie vor Probleme. Es ist sehr schwierig, damit umzugehen. Mit der WM im Januar kommt ein Großereignis näher. Meine Vorfreude war sehr groß. Ich denke oft daran, wie es hätte sein können. Ehrlich gesagt freue ich mich, wenn der Januar vorbei ist.

Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie die Schmerzen spürten?

Kühn Eigentlich heißt es, man weiß sofort, wenn man sich schwer verletzt hat. Kurioserweise war das bei mir nicht so. Ich hatte Schmerzen am Schienbein und an der Wade, überall, aber nicht am Knie. Ich habe nur eine Verdrehung gemerkt. Unsere Physiotherapeuten haben sogar gefragt, ob ich wieder spielen kann. Der Familie und Freunden habe ich danach geschrieben, dass sie sich keine Sorgen machen sollen. Später haben die Ärzte immer wieder das Kreuzband untersucht, da habe ich es geahnt, und wollte es nicht wahrhaben.

Dann stand die Diagnose einen Tag später fest.

Kühn Als ich es zum ersten Mal gehört habe, war ich sprachlos. Da war nur noch Leere. Von einer auf die andere Sekunde war alles vorbei. Es ist nach wie vor ganz schwierig für mich. Es gibt keinen guten Zeitpunkt für sowas, aber wenn ich es mir hätte aussuchen können, dann hätte ich es lieber im Februar gehabt, statt vor der Heim-WM.

Wo werden Sie die WM verfolgen und in welcher Funktion?

Kühn Ich habe alle Angebote abgelehnt, als Experte vor Ort zu sein, weil es eben so schwierig ist. Ich fliege im Januar nach Miami und setze dort meine Reha fort, als Ablenkung.

Wer wäre die beste Alternative für Sie im Rückraum?

Kühn Wir sind da sehr gut aufgestellt. Es war nie so, dass es bei uns auf einen Spieler ankam, alles wurde im Kollektiv gelöst. Bei der WM wird das auch so sein. Jeder springt für jeden in die Bresche und kann das Spiel an sich reißen. Das Kollektiv ist eine Stärke von uns.

Was trauen Sie der Nationalmannschaft zu?

Kühn Bis zum Finale spielt das Team alle Duelle in Deutschland. Mit dem Publikum im Rücken ist alles drin. Gerade im neuen Modus mit Hauptrunde, glaube ich, dass sie es bis ins Halbfinale schaffen können.

Wann ist ein Comeback möglich?

Kühn Ich mache mir keinen Druck, es stehen ja auch im kommenden Jahr keine Olympischen Spiele an. Die MT Melsungen steht voll hinter mir. Daher plane ich, zur nächsten Saison zurückzukehren.

Wo werden Sie Weihnachten feiern?

Kühn Meine Eltern wohnen in Aldekerk, dort bin ich an den Weihnachtstagen. Zum ersten Mal seit langer Zeit, sonst hatte ich immer Bundesligaspiele. So gesehen ist das eine kleine positive Sache, die man herausziehen könnte.

(ball)
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