Handball-EM 2016 Das sind Deutschlands neue Helden
Neun Jahre nach dem goldenen Wintermärchen bei der WM im eigenen Land hat haben die deutschen Handballer sensationell den EM-Titel geholt. Bis vor zwei Wochen waren die Spieler weitgehend unbekannt, nun begeistern Torhüter Andreas Wolff und Co. eine ganze Nation. Wir stellen Ihnen die neuen deutschen Handball-Helden und ihren Trainer Dagur Sigurdsson vor.
Andreas Wolff (24, Torhüter)Wolff ist DER Senkrechtstarter im deutschen Team. Der Keeper von der HSG Wetzlar, der in der kommenden Saison zum THW Kiel wechseln wird, sprach vom ersten Tag an vom EM-Titel, er spielte sich mit seinen Paraden und seiner emotionalen Art schnell in die deutsche Stammsieben – und in die Herzen der Fans. Um nach den Spielen runterzukommen, liest er Gruselromane.
Carsten Lichtlein (35, Torhüter)"Lütti" ist der Dauerbrenner im deutschen Kasten. Der Team-Oldie spielt seit über 15 Jahren in der Nationalmannschaft, war schon beim EM-Titel 2004 und beim WM-Triumph 2007 mit dabei. In Polen glänzte der Kaffee-Junkie vor allem als Siebenmeter-Killer.
Finn Lemke (23, Abwehrchef)210 Zentimeter Körpergröße, Unterarme wie Schraubstöcke und Handflächen wie Bratpfannen: Lemke ist der neue Abwehrchef im deutschen Team. Sobald der Mann mit der Schuhgröße 45 das Spielfeld betritt, wird aus dem sanften Riesen der Anführer der selbsternannten "Bad Boys". Dann feiert Lemke jeden gewonnenen Zweikampf seiner Kollegen und schüttelt selbst reihenweise die Gegenspieler durch.
Rune Dahmke (22, Linksaußen)Der Dreherkönig beherrscht fast so viele Wurfvarianten wie der zurzeit verletzte Kapitän Uwe Gensheimer. Dahmke ist pfeilschnell und sprang durch Weltklasse-Leistungen beim THW Kiel noch auf den EM-Zug auf. An der Torwand des ZDF-Sportstudios brillierte der sprachgewandte Youngster mit einem Treffer. Zudem ist Dahmke als Team-DJ für die Musik zuständig.
Niclas Pieczkowski (26, Linksaußen und Spielmacher)In der Bundesliga spielt Pieczkowski mit TuS N-Lübbecke gegen den Abstieg, in Polen holte er den EM-Titel. Durch die Ausfälle von Gensheimer und Michael Allendorf war der etatmäßige Spielmacher in Polen auch als Backup für Dahmke unterwegs.
Steffen Fäth (25, Rückraum links)Die Entdeckung des Turniers als Spielmacher. Der Rückraumspieler erinnerte in manchen Szenen an seinen Mentor, den genialen Ivano Balic. Mit 30 Treffern zweitbester deutscher Torschütze.
Julius Kühn (22, Rückraum links)"Bumm-Bumm" Kühn ist die Wurfmaschine im deutschen Rückraum. Als es im Halbfinale gegen Norwegen in der zweiten Halbzeit drauf ankam, schweißte er fünf Bälle ziemlich emotionslos im Kasten des Gegners ein. Der Shooter saß wie Häfner am letzten Sonntag noch auf der heimischen Couch und wurde erst am Montag als Ersatz für den verletzten Torjäger Christian Dissinger eingeflogen.
Simon Ernst (21, Rückraum links)Ernst trat bei der EM kaum in Erscheinung – bis zu den turbulenten Schlusssekunden gegen Norwegen. Ausgestattet mit dem gelben Leibchen, rannte der Youngster im Überschwang der Gefühle schon aufs Spielfeld, bevor die Partie offiziell beendet war. Die Skandinavier legten noch am Abend Protest ein, und Ernst durchlebte schlaflose Stunden.
Martin Strobel (29, Spielmacher)Regisseur Strobel ist neben Lichtlein der einzige deutsche Spieler mit EM-Erfahrung. Geriet als Spielmacher etwas in den Schatten von Steffen Fäth. Spielte ein solides Turnier, kann aber wesentlich mehr. Außerhalb des Spielfeldes ist Strobel stets bescheiden und eloquent.
Fabian Wiede (21, Rückraum rechts)Gestartet als Backup für Kapitän Steffen Weinhold, rückte der Linkshänder nach dessen Verletzung mehr in die Verantwortung. Dynamisch und mit schnellem Armzug. Hat eindeutig Stammspieler-Potenzial.
Kai Häfner (26, Rückraum rechts)Vom heimischen Sofa zum Matchwinner: Der Linkshänder lieferte spätestens mit dem furiosen Halbfinale wahrscheinlich DIE Geschichte dieser EM. Vor wenigen Tagen erst nachnominiert, traf Häfner in der Verlängerung gegen Norwegen, wie er wollte, und überraschte den Gegner wie Kai aus der Kiste. Höhepunkt der Häfner-Show am Freitag war das Siegtor fünf Sekunden vor dem Ende.
Steffen Weinhold (27/Rückraum rechts/Mitte)
Stolzer, aber auch trauriger Kapitän. Ein Muskelbündelriss im Oberschenkel bedeutete nach fünf Spielen das EM-Aus. Blieb bis zum Ende bei der Mannschaft. Eindeutiger Team-Leader, der wichtige Tore warf.
Christian Dissinger (24/Rückraum links)
EM-Aus nach seinem besten Spiel. Warf sieben Tore gegen Russland und musste dann wegen einer Adduktorenverletzung passen. Unterstützte wie Weinhold bis zum Ende die Mannschaft.
Tobias Reichmann (27, Rechtsaußen)Der deutsche Polen-Experte (in Kielce unter Vertrag) spielte das Turnier seines Lebens. Der "Mann ohne Nerven". Versenkte in sieben Spielen 26 von 27 Siebenmetern - vergab erst im Endspiel zwei weitere. Markenzeichen: Sprungwunder. Kein anderer Spieler steht so lange und so hoch in der Luft.
Johannes Sellin (25, Rechtsaußen)Der Backup für Reichmann (links im Bild) kam kaum zum Zug. Bewies in der Vergangenheit aber immer wieder, dass er da ist, wenn er gebraucht wird.
Hendrik Pekeler (24, Kreisläufer)Der kongeniale Partner von Abwehrchef Finn Lemke in der deutschen Deckungszentrale. Zeitstrafen-König im Team. Musste in acht Spielen elfmal Zwei-Minuten-Strafen absitzen. In Abwehr und Angriff gleichermaßen stark. Strahlte sehr viel Ruhe aus.
Jannik Kohlbacher (20, Kreisläufer)Das Küken im Team büffelt vor wichtigen Spielen (wie dem Halbfinale gegen Norwegen) gern noch ein bisschen für die nächste BWL-Klausur. Ansonsten trainiert der Junioren-Europameister von 2012 und 2014 am liebsten im Kraftraum, stemmt laut Teammanager Oliver Roggisch 160 Kilogramm beim Bankdrücken.
Erik Schmidt (23, Kreisläufer)
Ob im Mittelblock in der Zentrale, auf der defensiven Halbposition oder vorne am Kreis: Schmidt ist die Allzweckwaffe von Bundestrainer Sigurdsson. Im Hauptrunden-Krimi gegen Russland (30:29) glänzte er mit sechs Treffern als humorloser Vollstrecker.
Dagur Sigurdsson (42, Bundestrainer)Der frühere Jugend-Nationalspieler im Fußball ist unumstrittener Vater des deutschen EM-Erfolgs. Sigurdsson ruht in sich selbst und impfte den Spielern in Rekordzeit das Sieger-Gen ein. Von den 36 Länderspielen seit seinem Amtsantritt im Herbst 2014 gewann Deutschland 28, eine überragende Quote. Der Isländer betreibt in seiner Heimat unter anderem ein Hostel, spielt Gitarre und liebt Motorradfahren.