Das EM-Aus und die Folgen Handball-Deutschland hat Gesprächsbedarf

Varazdin · Nach dem blamablen EM-Aus der DHB-Auswahl steht zwangläufig die große Analyse an. Mittendrin befindet sich Bundestrainer Christian Prokop. Denn der soll ja eigentlich 2019 eine WM-Medaille und 2020 Olympia-Gold mit dem Team holen. Doch die Zweifler melden sich zu Wort.

Handball-EM 2018: Deutschland - Spanien, Bilder des Spiels
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Deutschland - Spanien: Bilder des Spiels

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Foto: dpa, jai

Vor einem Jahr waren sie plötzlich alle weg. Funktionäre, Trainer und Spieler verließen Paris nach dem WM-K.o. im Achtelfinale gegen Katar fluchtartig. Auch am Donnerstag standen die Profis nicht mehr Rede und Antwort, dafür stellten sich der Chefcoach und drei Spitzenfunktionäre - Präsident Andreas Michelmann, Vizepräsident Bob Hanning und Sportdirektor Axel Kromer - nach dem EM-Aus. Nach einer zu Beginn der zweiten Halbzeit kaum erklärbaren blamablen Leistung, die Spanien zum 8:0-Lauf nutzte (auf 23:15), war es ein trauriger Tag für den deutschen Handball.

Das sportliche Ziel hieß Halbfinale, und es wäre mit einem Sieg geschafft worden. So reichte es am Ende nur zu Rang neun. Nach der zweiten Bruchlandung innerhalb eines Jahres besteht Gesprächsbedarf. Im Zentrum der Diskussionen: Christian Prokop. Er bestritt sein erstes großes Turnier. Doch ist der Job des Bundestrainers ein Ausbildungsberuf? Aber auch die Spieler müssen sich erklären.

Erste Gespräche gibt es am 3. Februar, wenn im Rahmen des Allstarspiels der Nationalmannschaft gegen eine Bundesliga-Auswahl in Leipzig die lange anberaumte DHB-Präsidiumssitzung stattfindet. Die Zeit drängt. Im Januar 2019 findet in Deutschland und Dänemark eine WM statt. Dann muss man liefern. In Kroatien hat es nicht geklappt. So gut wie nie stand eine Mannschaft auf dem Platz, in der alle ihr Limit erreichten oder Führungsfiguren für einen Zusammenhalt sorgten. Prokop hat einen Plan: aus der Abwehr den Ball schnell nach vorne spielen, einfache Tore erzielen und von jeder Position unberechenbar sein. Letzteres waren seine Spieler - aber im negativen Sinne.

Für Prokop ist ein Rücktritt kein Thema. Er habe noch Großes vor, sagte er. Er habe Erfahrungen gesammelt, auch viele negative, und Erkenntnisse, die er hoffentlich noch erfolgreich nutzen könne, erklärte der 39-Jährige. Sein Vertrag läuft bis Sommer 2022. Eine eindeutige Rückendeckung gab es jedoch nicht mehr. "Das Ziel ist es, mit ihm weiterzumachen", sagte Hanning, der Prokop trotz einiger Widerstände einstellte.

In der EM-Qualifikation und kurz vor der EM zeigte die Mannschaft attraktiven Handball. Ausgerechnet der Angriff wurde nun zur großen Baustelle. Es fehlt ein Regisseur. Hannings Hinweis, dass von den Rückraumakteuren allein der Kieler Steffen Weinhold in der Champions League spielt, stimmt, erklärt aber nicht, weshalb Männer wie Julius Kühn, Kai Häfner und Paul Drux meistens unter Form blieben.

Die Ausbootung von Finn Lemke sechs Tage vor EM-Beginn hat wohl die Chemie zwischen Teilen der Mannschaft und dem Trainer verändert, auch wenn es keiner offen kommuniziert. Prokop holte den Abwehrspezialisten nach zwei Spielen zurück. Lemke war einer der wenigen "Gewinner" im Team der Verlierer, die laut Torhüter Andreas Wolff "ein katastrophales Turnier" spielten. Prokop wechselte zu Beginn viel. Klappt es, ist es die perfekte Form, Kräfte zu sparen. Geht es schief, bringt es Unruhe.

In vier bis sechs Wochen sollen Ergebnisse der ernsten, ehrlichen und harten Analyse (Hanning) vorliegen. Der Vizepräsident war vor vier Jahren mit einer "unverhandelbaren Vision" angetreten: WM-Medaille 2019, Olympia-Gold 2020. "Jeder muss sich hinterfragen. Ich mich, die Trainer, aber auch die Spieler", forderte Hanning. War der EM-Triumph 2016 und Olympia-Bronze 2016 nur Ausrutscher, oder gehört der deutsche Handball doch in die Weltspitze? Fragen, die vielleicht Prokop beantworten darf. "Jeder zahlt mal Lehrgeld. Das ist Dagur Sigurdsson bei der WM 2017, aber zuvor auch mir passiert. Wir sollten nicht anfangen zu zweifeln", meinte Heiner Brand, Weltmeister als Spieler und als Trainer.

Doch diese EM war für die DHB-Auswahl ein Rückschlag.

(RP)
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