Handball-Nationaltrainer Coach Biegler verzückt "seine Ladys"

Leverkusen · Der 55 Jahlre alte Bundestrainer will den Frauen-Handball auf eine erfolgreiche Heim-WM vorbereiten und nachhaltig Strukturen verändern.

 Michael Biegler hat mit den deutschen Handballerinnen noch viel vor.

Michael Biegler hat mit den deutschen Handballerinnen noch viel vor.

Foto: dpa, gki sab

Wer Michael Biegler länger zuhört, merkt recht schnell, dass sein grimmiger Gesichtsausdruck nicht unbedingt etwas bedeuten muss. Der Handball-Lehrer verzieht kaum eine Miene, wenn er den Raum betritt. Er grüßt höflich, das war's erstmal.

Jennifer Karolius, Nationalspielerin aus Leverkusen, nennt ihn einen "Handballverrückten". Dass der Mann, dem der Ruf vorauseilt, als Trainer ein harter Hund und auch sonst ein eher grummeliger Vertreter zu sein, einmal den deutschen Frauen-Handball retten soll, hätte bis vor kurzem nicht einmal der 55-Jährige selbst für möglich gehalten. Auch beim Deutschen Handball-Bund (DHB) war man anfangs skeptisch. "Wir haben ja nicht gezielt nach ihm gesucht, sondern zunächst nach einem Trainer, der die Kompetenz mitbringt und helfen kann, den Frauen-Handball so zu positionieren wie er es verdient hat", sagt Sportdirektor Wolfgang Sommerfeld. Beim Abklopfen der Kandidaten sei man jedoch schnell auf den Leichlinger gestoßen.

Dieser Michael Biegler hatte bis dahin aber nur Männer trainiert - darunter etliche Bundesligisten, die polnische Nationalmannschaft sowie zuletzt den HSV Hamburg. Geplant war, dass er fortan im Auftrag des Weltverbandes ein Entwicklungshilfe-Projekt in Uganda leitet. Doch dann rief Sommerfeld an und überzeugte Biegler von der Aufgabe, die Mannschaft auf die Weltmeisterschaft in Deutschland in einem Jahr vorzubereiten. "Wir haben häufig gesprochen. Dabei ging es nie um Geld, sondern nur um die Sache", betont Sommerfeld.

Die Zeit ist knapp. Aber Biegler sieht dieses Team, das in der Vergangenheit als schwierig galt und viele erfolglose Turniere spielte, als Herausforderung. Als Nachfolger des Dänen Jakob Vestergaard soll er die Frauensparte wiederbeleben. Aber nicht nur das. Die Tatsache, dass "Beagle" die Polen über drei Jahre begleitete und dort nachhaltig Strukturen veränderte, machte ihn neben seinen fachlichen Fähigkeiten umso interessanter für den DHB und seine Reformpläne.

Ein Mammutprojekt für Biegler an vorderster Front, der seit seinem Start im April tausende Kilometer durch Deutschland fuhr, Spiele anschaute und die Möglichkeiten auslotete. Mit ihm will der Verband dem Frauen-Team neue Aufmerksamkeit widmen. "Es war der größte Fehler, Männer und Frauen zu differenzieren", sagt Sommerfeld. Bei den führenden Nationen gebe es keine Unterschiede in der Spielphilosophie. "Das muss auch unser Ansatz sein." Bedeutet: Gleiche Betreuung der Teams. Förderungen, Sichtung -oder Trainingsmaßnahmen werden angeglichen. Das ist Biegler wichtig, genau wie die duale Karriere. "Wenn die Spielerinnen abgehetzt zwischen zwei Vorlesungen oder nach der Arbeit eine Einheit absolvieren, muss das Angebot vernünftig sein", sagt der Coach, der vor diesem Hintergrund kaum glauben kann, mit welcher Begeisterungsfähigkeit seine "Ladys" zu Werke gehen.

Die Freude darüber ringt dem 55Jährigen ein Lächeln ab, der sein Team lieb gewonnen hat -sowie sein Team ihn. "Er hat in alle Bereiche Bewegung reingebracht", schwärmt Kapitänin Anna Loerper. Basierend auf seinen Eindrücken stellte er einen erweiterten 40er-Kader für das WM-Projekt zusammen. Und entfachte eine Euphorie, "die einzigartig ist und die ich im Männerbereich so noch nicht erlebt habe", sagt Sommerfeld. Die Effektivität der kurzen Zusammenarbeit stellten die Frauen beim EM-Auftaktsieg gegen Vizeweltmeister Niederlande unter Beweis. Hehre Ziele hat sich das Team freilich nicht gesetzt, das Turnier soll mit Blick auf 2017 Durchgangsstation sein. Biegler drückt seine Gelassenheit in der für ihn typischen Art aus: "Ich habe zwei Patronen - davon einen Fehlschuss. Wenn es bei der EM nicht klappt, nehme ich alle Schuld auf mich. Das halte ich aus."

(RP)
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