Nach viertem Corona-Fall beim DHB Spielbetrieb in Handball-Bundesliga gefährdet

Update | Hamburg · Nachdem mit Juri Knorr und Finn Lemke sich der dritte und vierte Handball-Nationalspieler binnen weniger Tage mit dem Coronavirus infiziert hat, wächst die Terminnot in der Bundesliga und die Zweifel an der WM in Ägypten.

 Juri Knorr vom GWD Minden ist schon der dritte deutsche Handball-Nationalspieler, der sich mit dem Coronavirus infiziert hat. Es hagelt Spielabsagen.

Juri Knorr vom GWD Minden ist schon der dritte deutsche Handball-Nationalspieler, der sich mit dem Coronavirus infiziert hat. Es hagelt Spielabsagen.

Foto: dpa/Frank Molter

Die Corona-Welle hat die deutschen Handball-Nationalspieler heftiger erfasst als befürchtet und bringt die Bundesliga in immer größere Terminnöte. Nach Torhüter Johannes Bitter und Rückraumspieler Marian Michalczik ist am Donnerstag auch DHB-Debütant Juri Knorr vom Bundesligisten GWD Minden positiv auf das Coronavirus getestet worden. Hinzu kam am Abend dann noch Finn Lemke vom MT Melsungen, der zuvor schon ein Verdachtsfall war. Ein abschließender Test hatte ermittelt, dass er sich ebenfalls infiziert hat. Dies bestätigten die Klubs der Spieler.

Beide Teams müssen sich nach behördlichen Anordnungen in häusliche Isolation begeben. Daher muss auch das Bundesliga-Topspiel zwischen Melsungen und dem SC Magdeburg, das am Samstag als Live-Übertragung in der ARD geplant war, verschoben werden. Es ist die fünfte Partie, die im Zuge der Corona-Fälle im DHB-Team verlegt werden muss.

„Wir wünschen allen Infizierten, dass sie die Erkrankung möglichst komplikationsfrei überstehen. Das ist ohne Wenn und Aber das Wichtigste“, sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer.

Mindens Geschäftsführer Frank von Behren sprach von einem "großen Schock für uns." Knorr, der in der vergangenen Woche sein DHB-Debüt gegeben hatte, gehe es nicht gut. Er zeige "starke Symptome", so von Behren. Man müsse "diese internationalen Reisen in der jetzigen Zeit stark infrage stellen." Der DHB-Lehrgang hätte "im Nachhinein nicht stattfinden dürfen, das Risiko war viel zu hoch. Die Spieler kommen wieder und sind infiziert und legen damit Teile des Ligabetriebs lahm."

Die Infektion von Knorr, der am Mittwochabend mit seinem Team trainiert hatte, weil er zuvor mehrfach negativ getestet worden war, hat tatsächlich weitere Auswirkungen auf den Bundesliga-Spielplan: Denn die nächsten GWD-Partien in Coburg am Sonntag und gegen die Rhein-Neckar Löwen am 21. November drohen ebenfalls auszufallen.

Zuvor waren wegen der Corona-Krise bereits vier Partien des 7. Spieltages verlegt worden, darunter die Spiele der Topclubs THW Kiel und SG Flensburg-Handewitt. „Es gibt natürlich einen Plan B, wie man die Saison weiterspielen kann. Wir halten aber noch am ursprünglichen Spielplan-System fest. Ob die Spiele so durchgeführt werden können, werden die nächsten Wochen zeigen“, hatte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann bereits am Vortag dem Pay-TV-Sender Sky gesagt. „Wir planen nur noch von Woche zu Woche.“

Der Verband hat bisher keine Erklärung dafür, wo sich die Nationalspieler infiziert haben könnten. „Wir haben das DHB-Hygienekonzept für Nationalmannschaften nach bestem Wissen und Gewissen sorgfältig umgesetzt“, sagte Sportvorstand Kromer. „Die nun vorliegenden positiven Ergebnisse der PCR-Tests stehen unserem Anspruch, höchste Sicherheit zu gewährleisten, leider entgegen.“ Der Verband will nun eine tiefgreifende Analyse durchführen, „um für die Zukunft besser aufgestellt zu sein und die Sicherheit weiter zu erhöhen“.

Derweil wachsen unter dem Eindruck immer neuer Corona-Fälle bei der Nationalmannschaft die Zweifel an der Mega-WM im Januar in Ägypten. "Die Austragung des Turniers kann ich mir im Moment nur schwer vorstellen", sagte von Behren dem SID. "Momentan weiß ich nicht, wie wir den Spielbetrieb in der Liga aufrechterhalten können", sagte von Behren: "Das ist aber zweifelsohne unser höchstes Gut, das wir schützen müssen. Wichtiger auch als eine WM im Januar in Ägypten."

Spätestens mit der Nachricht der nächsten Infektion nahmen die Diskussionen über die Bläh-WM so richtig Fahrt auf. 2007-Weltmeister Christian Schwarzer hinterfragte bei Spox die Sinnhaftigkeit eines WM-Turniers unter den aktuellen Bedingungen und hält eine Austragung "aus jetziger Sicht für schwierig", für Nationalspieler Hendrik Pekeler ist sie angesichts der vielen Fälle "eigentlich nicht vertretbar", und der frühere Welthandballer Daniel Stephan forderte bei Sport1, dass eine Absage des Turniers mit 32 Teams aus aller Welt "diskutiert" werden müsste: "Aber nicht nur in Deutschland, sondern innerhalb des ganzen Handball-Weltverbands."Auch Jürgen Schweikardt, Trainer und Geschäftsführer von Bitters Klub Stuttgart, machte via Bild-Zeitung eine klare Ansage pro WM-Absage: "Für die Bundesliga wäre eine Absage das Allerbeste.

Doch zunächst stehen für die Liga die eigenen Probleme im Vordergrund. Bei einer virtuellen Krisensitzung am Freitagvormittag soll darüber entschieden werden, wie es weitergeht. Die Absage des gesamten Wochenend-Spieltags steht ebenso im Raum wie ein vorübergehender Liga-Lockdown.

"Wir stehen vor riesigen Herausforderungen und müssen die Lage mit dem neuen Kenntnisstand neu bewerten", sagte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann dem SID zerknirscht. Fakt ist: Einige Tage nach dem DHB-Lehrgang wird es immer schwerer, die Kontakte der Spieler eindeutig zu benennen und vernünftig einzugrenzen. Dass die Partie zwischen Melsungen und dem SC Magdeburg, für die am Samstag eine Live-Übertragung in der ARD vorgesehen ist, stattfinden kann, darf angesichts des neuen Verdachtsfalls zumindest bezweifelt.

DHB-Vizepräsident Bob Hanning, in Personalunion auch Manager der Füchse Berlin, mahnte in der hitzigen WM-Debatte zur Ruhe. "Dass dies irgendwann mal passiert, davon war auszugehen. Wie im normalen Berufsleben oder in der Schule", sagte Hanning bei Sport1. Eine Verschiebung der WM schließt er momentan aus. Es sei schließlich "sicherer eine WM durchzuführen als zum Beispiel Europapokal- oder Champions-League-Spiele, die uns durch ganz Europa reisen lassen. Die Strahlkraft der Nationalmannschaft ist bei allem Respekt nicht vergleichbar mit einem Bundesligaspiel zwischen Melsungen und Berlin."

(sid/dpa/jbu)
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