Kein Meistertitel nach Saisonabbruch BVB-Handballdamen fühlen sich diskriminiert - Ligachef wehrt sich

Düsseldorf · In der Handball-Bundesliga der Männer wird Spitzenreiter THW Kiel nach dem Abbruch zum Meister erklärt. Bei den Frauen ist Borussia Dortmund Tabellenführer - doch der Titel bleibt aus. Die Enttäuschung bei den BVB-Damen ist groß, sie werfen dem Verband Diskriminierung vor.

 BVB-Spielerin Isabell Roch.

BVB-Spielerin Isabell Roch.

Foto: Borussia Dortmund

Acht Spiele waren in der Handball-Bundesliga der Frauen (HBF) noch zu spielen, als der Verband beschloss, die Saison wegen der Corona-Pandemie abzubrechen. Mit 17 Siegen aus 18 Spielen lagen die Handballerinnen von Borussia Dortmund an der Tabellenspitze. Doch während sich die Handballer des THW Kiel mit dem Titel über die abgebrochene Saison hinwegtrösten können, müssen die Damen vom BVB weiter auf den ersten Titel der Vereinsgeschichte warten. Denn anders als bei den Männern wird bei den Frauen kein Titel vergeben. Der Ärger und die Enttäuschung bei den Spielerinnen der Dortmunder ist groß, sie fühlen sich um die Meisterschaft gebracht.

In den sozialen Netzwerken werfen sie dem Verband auf subtile Weise Diskriminierung vor. Auf Instagram posteten die Spielerinnen Bilder von sich mit künstlichen Bärten und dem Spruch: „Wäre ich ein Mann, wäre ich jetzt deutscher Meister.“ Der Klub teilte auf Facebook diese Bilder - und setzt damit ein deutliches Zeichen: man hält zusammen.

Zuvor hatte bereits BVB-Klubpräsident Reinhard Rauball offen von „Diskriminierung“ gesprochen. „Ich habe kein Verständnis dafür. Der Sport wird mit Füßen getreten“, sagte Rauball den „Ruhrnachrichten“: „Bei den Männern wird der Spitzenreiter zum Meister ausgerufen, bei den Frauen aber nicht. Das hat Anzeichen einer Diskriminierung, denn es gibt keine sportlichen Argumente für diese Entscheidung.“ Auch Andreas Heiermann, Abteilungsleiter Handball beim BVB, wetterte gegen die Entscheidung. „Diese Ungleichbehandlung zwischen Frauen und Männern ist ein Skandal“, wird Heiermann auf der Homepage des Klubs zitiert.

Andreas Thiel, Vorstandschef der HBF, wehrt sich gegen Diskriminierungsvorwürfe. Der frühere Weltklasse-Torhüter könne den Unmut und die Emotionen beim BVB verstehen. „Aber ich bin Vater von drei Töchtern, ich trainiere seit 20 Jahren Frauen, mir vorzuwerfen, ich diskriminiere Frauen, ist abwegig“, sagte der 60-Jährige, der auch Vize-Präsident beim Deutschen Handballbund (DHB) ist.

Die HBF, die getrennt von der Handball-Bundesliga der Männer (HBL) agiert, hatte ihre Entscheidung damit begründet, dass zum Zeitpunkt des Abbruchs „noch fast ein Drittel der Saison zu spielen war“ und auch das direkte Top-Duell zwischen SG BBM Bietigheim und Dortmund noch ausgestanden hatte. Bietigheim hat nur einen Punkt weniger als Dortmund auf dem Konto. Das Hinspiel hatte der BVB deutlich mit 38:32 gewonnen. Und auch im DHB-Pokal hatte sich der BVB mit 29:27 gegen Bietigheim durchgesetzt. Doch es nützte nichts. Anders als in der Bundesliga der Männer, in der Kiel auf Basis der Quotientenregel zum Meister ausgerufen wurde, bleibt der Titel 2020 bei den Frauen unbesetzt.

Die Vorgehensweise der HBF begründete Thiel mit de Verbandsautonomie. Es habe lediglich eine Empfehlung des DHB-Bundesrates angesichts der aktuellen Situation gegeben. „Ich habe da nirgendwo gelesen, dass ich einen Meister benennen muss“, meinte Thiel, der sich zur Entscheidung der Männerliga nicht äußern wollte: „Als angestellter Justiziar der HBL GmbH will ich auf diese Frage nicht antworten.“

Beim Rivalen Bietigheim kann man den Ärger der Dortmunderinnen nicht wirklich nachvollziehen. „Gerade in diesen Zeiten ist ein bisschen mehr Demut angesagt. Wie man in diesem Zusammenhang von Diskriminierung sprechen kann, ist mir völlig unverständlich", sagte Bietigheims Geschäftsführer Torsten Nick dem „SID“. Er verwies zudem darauf, dass Dortmund durch den ersten Platz in der Endabrechnung die direkte Champions-League-Qualifikation verbuchen konnte. Das dürfte für die Spielerinnen des BVB allerdings nur ein kleiner Trost sein.

(old)
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