Handballern droht WM ohne Free-TV „Die Nationalmannschaft ist ein Garant für gute Einschaltquoten“

Frankfurt/Main · Die Heim-WM 2019 soll dem deutschen Handball einen weiteren Popularitätsschub bringen. Doch derzeit gibt es immer noch keinen TV-Vertrag, weil der Rechtevermarkter Probleme hat. Deutsche Handball-Größen üben Kritik.

 Der ehemalige Handball-Bundestrainer Heiner Brandt fände es „bitter“, wenn ausgerechnet die Heim-WM nicht im Free-TV zu sehen wäre. (Archiv)

Der ehemalige Handball-Bundestrainer Heiner Brandt fände es „bitter“, wenn ausgerechnet die Heim-WM nicht im Free-TV zu sehen wäre. (Archiv)

Foto: dpa/AP, AP

Handball-Fans und Funktionäre sind aufgeschreckt. Und auch die TV-Sender schlagen seit Mittwoch nun Alarm: Knapp fünf Monate vor der Handball-WM in Deutschland und Dänemark sorgt die unklare Lage bei der Vergabe der Fernsehrechte für große Unruhe. Weil die weltweit tätige Rechteagentur „MP & Silva“ offenbar in ernsten finanziellen Schwierigkeiten steckt, droht bei der Endrunde vom 10. bis 27. Januar kommenden Jahres nach 2015 und 2017 erneut ein Turnier jenseits öffentlich-rechtlicher TV-Übertragung.

Für das Erste und Zweite ist klar: „Wir würden gerne die Handball-WM übertragen“, sagte ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. Aber: „Wir hatten Gespräche mit der Agentur, die sind vorletzte Woche plötzlich abgebrochen worden“, berichtete der TV-Mann. „Die Situation ist völlig offen. Wir wissen nicht, mit wem wir jetzt reden müssen. Das kann ein Riesen-Wirrwarr werden.“

Der Deutsche Handball-Bund (DHB), der seit etwa drei Wochen von den Problemen der Agentur weiß, ist bereits in die Offensive gegangen. Denn eine neue Ausschreibung der Vermarktungsrechte an den Weltmeisterschaften bis 2025, die im Falle einer möglichen Pleite des Unternehmens erfolgen müsste, können die WM-Gastgeber nicht abwarten. „Wir haben den Weltverband IHF gebeten, eine schnelle Lösung für die WM 2019 zu finden“, sagte DHB-Präsident Andreas Michelmann. „Ich werde auch noch einmal persönlich mit IHF-Präsident Hassan Moustafa reden.“

Heiner Brand, von 1997 bis 2011 Bundestrainer der Deutschen Herren-Nationalmannschaft, betont im Gespräch mit dieser Redaktion, wie wichtig Fernsehpräsenz für den Handball in Deutschland ist. „Es wäre sehr bitter, wenn die WM-Spiele nicht auf frei empfangbaren Sendern gezeigt würden. Wir haben es bei der WM 2007 gesehen, da war die Begeisterung im Land riesengroß, und wir hatten sensationelle Quoten“, sagte der Weltmeister-Trainer von 2007. Rund 16 Millionen Zuschauer in Deutschland sahen damals das WM-Finale.

WM-Botschafter Brand kritisierte auch die Abhängigkeit des Sports von Rechteagenturen. „Die Übertragungsrechte werden vergeben, und dann ist man abhängig von den Anbietern. Das war im Handball zuletzt bei der WM 2015 in Katar und bei der WM 2017 in Frankreich auch schon der Fall.“ Brand nannte die deutsche Nationalmannschaft einen „Garanten“ für gute Einschaltquoten. Zudem glaubt der 66-Jährige, als TV-Experte beim Pay-TV-Sender „Sky“ regelmäßig Spiele kommentiert, dass die Hallen bei der WM 2019 „bei den deutschen Spielen ausverkauft sein werden“.

Die Agentur „MP & Silva“ wollte sich am Mittwoch zu der heiklen Situation nicht äußern. Der Weltverband IHF kündigte lediglich eine öffentliche Stellungnahme bis Ende der Woche an. Darauf wartet auch der DHB, denn bei den Verhandlungen über die TV-Rechte ist er nur Zuschauer. „Man kann nur einen Ball auf das Tor werfen, den man in der Hand hat“, sagte Michelmann.

Die unbefriedigende Situation ist für den Verband umso ärgerlicher, ist er doch von den Auswirkungen unmittelbar betroffen. Denn der genaue Turnier-Zeitplan, der großen Einfluss auf den Ticketverkauf hat, kann erst erstellt werden, wenn der TV-Partner feststeht.

Dabei sollte bei der Heim-WM alles besser werden, nachdem die deutschen Fans die vergangenen Weltturniere nur im Pay-TV (2015) beziehungsweise im Internet (2017) verfolgen konnten. Auch bei der Frauen-WM im Vorjahr wurde die Übertragung der deutschen Spiele im Free-TV erst kurz vor Endrundenbeginn gesichert. In allen drei Fällen waren dafür Probleme mit der katarischen Agentur „beIN Sports“, die auf technischen Einschränkungen bestand, verantwortlich.

Die Rechte bis 2025, die der IHF nach Schätzungen von Branchenkennern eine Garantiesumme von insgesamt 173 Millionen Schweizer Franken (rund 153,5 Mio. Euro) einbringen sollen, könnten zur Not kurzfristig gekauft werden. Doch vor allem bei der Produktion ist der Zeitdruck enorm. „MP & Silva“ wollte die Bilder selbst produzieren, dafür müsste es aber längst gültige Verträge mit externen Anbietern geben.

Ex-Nationalspieler Stefan Kretzschmar sprach von „einem absoluten Super-Gau“, sollten die Endrundenspiele der DHB-Auswahl nicht live im Free-TV zu sehen sein. „Die Folgen für den Handball wären nicht absehbar“, warnte er.

(dpa)
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