Handicap DDR Warum es im Osten keine Golfklubs gab

Düsseldorf · 30 Jahre nach dem Mauerfall macht sich das Ost-West-Gefälle auch im Golfsport noch immer bemerkbar.

 Der Golfsport ist im Osten von Deutschland auch 30 Jahre nach dem Mauerfall noch unterrepräsentiert.

Der Golfsport ist im Osten von Deutschland auch 30 Jahre nach dem Mauerfall noch unterrepräsentiert.

Foto: imago sportfotodienst

Erich Honecker soll den Golfsport einst als „bourgeoisen Blödsinn“ bezeichnet haben. Der Staatssekretär im DDR-Außenhandelsministerium und „Devisenbeschaffer“, Alexander Schalck-Golodkowski, hatte ihm vorgeschlagen, Geld für den Bau eines Golfplatzes bereitzustellen. Denn davon gab es in der DDR seit 1951 keine mehr. Das Spiel galt als Sport der Reichen, ihm haftete das Feudale, Exklusive, Kapitalistische an. Das letzte Grün im thüringischen Oberhof fiel den sozialistischen Abbaumaßnahmen zum Opfer und wurde Ackerland: Gemüse statt Golf.

Die staatliche Sportförderung wendete sich lieber Sportarten zu, die internationales Prestige versprachen. In der „sozialistischen Doktrin vom Elitensport“  war für Golf also kein Platz. In der „Kleinen Enzyklopädie für Körperkultur und Sport“ hieß es 1960: „In der bürgerlichen Gesellschaft ist Golf ein Spiel der herrschenden Klasse. Die Statuten der Klubs und der finanzielle Aufwand verwehren den Werktätigen die Mitgliedschaft und Ausübung des Spiels. Während sich das Golfspiel in der DDR wegen seines geringen Wertes für die allseitige körperliche Ausbildung des Volkes wegen des relativ hohen Aufwandes bei geringem Nutzeffekt nicht weiter ausgebreitet hat, sind in Westdeutschland unter den Bedingungen der kapitalistischen Klassenherrschaft die alten privilegierten bürgerlichen Golfklubs wieder entstanden.“

Spieler gab es allerdings trotzdem: 30 werden bei der späteren Gründung des Deutschen Golfverbandes der DDR angegeben. Einer von ihnen war Bernd Rudolph, Offizier der Nationalen Volksarmee (NVA). Er versuchte sich 1976 „aus reiner Neugier“ im Urlaub im damals tschechoslowakischen Marienbad auf dem Grün — im Ostblock waren für Touristen wenige Golfplätze erhalten worden — und fand Gefallen daran. Seine Urlaube gingen von nun an immer wieder nach Marienbad, um Golf zu spielen. Schläger und Bälle erstand er gebraucht von seinen tschechoslowakischen Golffreunden. Die bezogen ihr Equipment von Touristen aus der Bundesrepublik und Österreich.

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Renate Graf war die einzige Golfspielerin. Sie war angetan vom Sport, den ihr Vater ihr gezeigt hatte. Verwandte aus den USA schickten ihr die „Schlagwaffen des Klassenfeinds“ in als Sportartikel deklarierten Paketen völlig problemlos zu. Um die kostbaren Bälle nicht zu verlieren, wurden sie durchbohrt und mit einem Faden versehen.

1987 traf Rudolph sich in Marienbad mit Gleichgesinnten, um zu beraten, wie man Golf in der DDR etablieren könnte. Er überzeugte „die Oberen“ mit einem schlauen Kniff: Bei Wettbewerben stand das Länderkürzel hinter den Teilnehmern. Spieler, die unter ferner Liefen platzierten, brachten dem Arbeiter- und Bauernstaat nicht den erwünschten Ruhm. Deshalb durften sie die „Erste Allgemeine Sportgruppe Golf der DDR“ gründen, um besser für Turniere zu trainieren. Das war am 28. Oktober 1989 — noch bevor sich der erste Schlagbaum an der Bornholmer Straße öffnete. Mit dem Fall der Mauer überschlugen sich auch für die Golf-Enthusiasten die Ereignisse.

Trotz der politischen Neuordnung gründeten die Golfer im April 1990 den international anerkannten Golfverband der DDR — mit Rudolph als Präsident. Als erste und letzte DDR-Nationalmannschaft nahmen sie wenig später außer Konkurrenz an den Internationalen Vierer-Mannschaftsmeisterschaften in Lindau am Bodensee teil. „Presse, Funk und Fernsehen hefteten sich an unsere Fersen und verfolgten jede Reaktion. Wir waren eben Exoten“, sagte Rudolph damals.

Doch 40 Jahre Golf-Abstinenz haben ihre Spuren hinterlassen. Dem aus golferischer Sicht brachliegenden Osten standen im Westen 300 Klubs mit 160.000 Spielern gegenüber. Privatinvestoren erkannten schnell das Potenzial. Doch ihren Bestrebungen, Golfanlagen mit Aufnahmegebühren, die nur wenige bezahlen können, zu errichten, wollte sich der zweite deutsche Golfverband widersetzen.

Die sportliche Vereinigung mit dem West-Verband gestaltete sich schwierig. Es dauerte bis 1999, ehe flächendeckend alle östlichen Landesgolfverbände im DGV vertreten waren. Bis heute ist das Ost-West-Gefälle im Golfsport deutlich zu erkennen. Zwar entwickelte sich Brandenburg zur Golf-Hochburg — fast 25.000 Mitglieder zählt der DGV im Berliner Umland — von den 730 Golfanlagen Deutschlands befinden sich nur 61 in den Bundesländern der ehemaligen DDR.

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