Sensibler Profi Ziege: Vom Auslaufmodell zum Hoffnungsträger

Billerbeck (rpo). Vom Auslaufmodell zum Hoffnungsträger: Christian Ziege bekommt die Schnelllebigkeit im Fußball derzeit hautnah zu spüren.

Der 29-jährige und mit 60 Länderspielen dienstälteste Profi in der Fußball-Nationalmannschaft erlebt derzeit seinen x-ten Frühling, hervorgerufen durch seinen Wechsel vom FC Liverpool zu Tottenham Hotspur.

„Sehr negativ“, sei ihm der für 12,5 Millionen Mark (6,4 Millionen Euro) Ablöse erfolgte Umzug bekommen, bemerkte Ziege mit einem breiten Grinsen im Gesicht: „Schließlich habe ich in den acht Spielen nur vier Tore geschossen.“

Das sportliche Auf und Nieder kennt Ziege zur Genüge. Ob beim FC Bayern München, AC Mailand, FC Middlesbrough oder zuletzt in Liverpool: Immer startete Ziege mit großen Hoffnungen, doch nirgends entwickelte er sich zur konstanten Größe. Jetzt aber soll wieder mal alles anders werden, hofft Ziege. Der frühere englische National- und aktuelle „Spurs“-Coach Glenn Hoddle, der noch lebhaft Zieges fulminanten Auftritt im EM-Finale 1996 von Wembley in Erinnerung hatte, köderte ihn mit den Worten: „Da warst du einer der Besten auf der linken Seite in Europa. Da bringe ich dich wieder hin.“

Derlei Vertrauensbekundungen sind Balsam für den sensiblen Profi, der seinen weichen Kern hinter einer mitunter arrogant anmutenden Schnoddrigkeit verbirgt. So ist er Teamchef Rudi Völler auch heute noch dankbar, dass er ihn in der vergangenen Saison immer wieder zu Länderspielen eingeladen hat, obwohl er es vom Leistungsvermögen nicht verdient hatte. „Christian hatte einen tollen Start in die Saison. Für ihn ist wichtig, dass er spielt“, attestiert Völler nun.

Insgeheim wird es der Teamchef wohl bereut haben, dass er vor fünf Wochen beim 1:5-Debakel gegen England nicht auf Routinier Ziege als Bewacher David Beckhams gesetzt hatte, sondern den international unerfahrenen Schalker Jens Böhme mit der Aufgabe überforderte. Innerlich kochend beobachtete Ziege das Desaster von der Reservebank aus, im Nachhinein aber hatte das Reservisten-Dasein immerhin einen kleinen Vorteil: „Da ich persönlich nicht beteiligt war, konnten mir die Teamkollegen bei Tottenham nicht so viel unterjubeln. Trotzdem musste ich mir einiges anhören, die Engländer haben den Sieg sehr und lange genossen.“

Am Samstag im WM-Qualifikationsspiel gegen Finnland aber will er sich nicht mit der Rolle des Bankdrückers begnügen. „Bisher konnte ich keine Ansprüche stellen, doch das hat sich geändert“, formuliert Ziege seine Anwartschaft auf einen Platz in der Anfangs-Elf, der ihm wegen aktueller Formstärke wohl gewiss ist. Ausgerechnet in der neuen Arena AufSchalke darf er dann auflaufen, die im Sommer zu seiner Heimat geworden wäre, wäre den „Knappen“ die Ablösesumme nicht zu hoch gewesen. Im Nachhinein sagt Ziege: „Seit Rudi Assauers Interesse ist mir Schalke doch ziemlich ans Herz gewachsen.“

(RPO Archiv)
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