Kolumne Die WM aus Amateursicht „Mit der WM verbinde ich eine Hoffnung für uns Amateure“

Meinung | Fußball · Am Sonntag startet die WM in Katar. Als Amateurtrainer schaut auch Andreas Schwan von Union Nettetal genau hin. Welche Erkenntnisse er sich für sein Team erhofft, warum Bundestrainer Hansi Flick mit seinem Kader alles richtig macht und wie der Amateursport womöglich vom Turnier profitiert.

 Andreas Schwan ist Trainer des Oberligisten SC Union Nettetal. Während der Weltmeisterschaft in Katar blickt er in einer Kolumne regelmäßig aus dem Blickwinkel eines Amateurtrainers auf das Turnier.

Andreas Schwan ist Trainer des Oberligisten SC Union Nettetal. Während der Weltmeisterschaft in Katar blickt er in einer Kolumne regelmäßig aus dem Blickwinkel eines Amateurtrainers auf das Turnier.

Foto: Heiko van der Velden

Ich verfolge die WM aus zwei Perspektiven: Zum einen als Fan, da man mit der Nation mitfiebert, zum anderen natürlich aus der Sicht eines Trainers. Denn jede WM offenbart Dinge, die für einen selbst in der täglichen Trainingsarbeit und auf dem Platz interessant sind: Beispielsweise neue Trends auf dem Spielfeld, bei den Spielsystemen oder wie Mannschaften in der Offensive oder beim Verteidigen agieren.

Mit Vorfreude blicke ich auf die Spiele der Brasilianer und der Franzosen, da beide spannende Kader haben. Interessant wird für mich ebenfalls, wie Lionel Messi in seinem vielleicht letzten großen Turnier agiert. Es geht mir dabei um Grundsätzliches: Setzt sich bei dieser WM die Mannschaft mit dem besten Einzelspieler durch oder die Mannschaft, die es im Kollektiv gut macht? Diese Frage finde ich für das Turnier extrem spannend. Oder die Spielsysteme: Umschaltspiel, Ballbesitz oder eine Mannschaft, die beides beherrscht – was wird dominieren? Diese Frage beschäftigt ja auch den Amateurfußball. Beispielsweise uns in Nettetal.

Für mich als Amateurtrainer gibt es zunächst die Metaebene: Man blickt von außen auf das Turnier und schaut, warum manche Mannschaften erfolgreich sind und andere nicht. Und dann kommt der spannende Punkt: Was kann ich von diesen Erkenntnissen aus dem Spitzenfußball auf kleinere Ebene runterbrechen? Man sollte aber nicht den zweiten vor dem ersten Schritt machen: Man kann nur Entwicklungen für sich ableiten, die auch zu den eigenen Spielertypen passen.

In Nettetal wollen wir unser Spiel offensiv denken und variablen und attraktiven Fußball auf den Platz bringen. Es geht dabei um Lösungen sowohl im Ballbesitz als auch im Umschaltspiel. Bei der WM wird es auch passive Mannschaften geben, die darauf ausgerichtet sind, Gegentore zu verhindern. Dafür bin ich aber nicht der Typ. Ich verfolge daher eher Spiele von Mannschaften, die unserem Spielstil ähneln und schaue nach Beispielen und Szenen, um meinen Spielern neue Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Als A-Lizenztrainer kann ich dafür im Nachgang eine WM-Analyse nutzen. Während des Turniers bin ich neutraler Zuschauer, der in erster Linie die Spiele genießt und nicht mit Zettel und Stift vor dem Fernseher sitzt.

Da wir in Nettetal im Vorjahr die jüngste Mannschaft der Oberliga hatten, freut mich übrigens eine Entwicklung ganz besonders: Immer mehr junge Spieler sind bereits Leistungsträger in ihren Nationalmannschaften und können Spiele entscheiden. Wenn ich an Jamal Musiala oder Jude Bellingham denke, beide 19 Jahre, das ist schon hochinteressant.

Für mich als Trainer ist es dann spannend, wie die einzelnen Spieler auf dem Platz agieren. Im Moment halte ich Musiala für einen der überragenden Spieler der Bundesliga. Wenn er spielt, schaue ich, wie er den Ball beim ersten Kontakt annimmt, was er macht, wenn der Ball an seinem Fuß ist, ob er ins Tempodribbling geht oder ob er sich einen Rundumblick verschafft. Da würde der Einzelne vielleicht nicht drauf schauen, aber ich als Trainer sehe dann, wie der Spieler die Situation löst.

Die nun kurze Vorbereitung zwischen dem Ende der Bundesliga und dem WM-Start ist für mich aus Trainersicht kein Nachteil. Denn im Grunde kommen die Spieler in einem guten Fitnesszustand zum Turnier und sind voll im Saft. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Bundestrainer auf einen vertrauten Kader und richtigerweise wieder auf einen großen Bayernblock setzt, womit wir beim Thema Eingespieltheit wären. Dazu sind die meisten Spieler im Kader momentan Leistungsträger in ihren Vereinen – wo wäre die Borussia aktuell ohne Jonas Hofmann? Wenn Deutschland die Vorrunde übersteht, ist durchaus etwas möglich. Zu den Favoriten zähle ich uns aber nicht.

Mit der Weltmeisterschaft am Jahresende verbinde ich noch eine Hoffnung für uns Amateure: Unsere Spiele laufen sonst immer parallel zur Bundesliga, was uns Zuschauer kostet – insbesondere wenn die Borussia spielt. Nun, da die Bundesliga ruht, kommen vielleicht mehr Zuschauer zu unseren Spielen – da nicht jedes Spiel bei der WM von Interesse ist. Mal abwarten, ob diese These sich bewahrheitet.

Andreas Schwan ist Trainer des Oberligisten SC Union Nettetal. Während der Weltmeisterschaft in Katar blickt er in einer Kolumne regelmäßig aus dem Blickwinkel eines Amateurtrainers auf das Turnier.

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