Flick setzt auf Altbewährtes Warum das DFB-Team immer mehr dem FC Bayern gleicht

Meinung | Doha · Bundestrainer Hansi Flick versucht möglichst viel von dem umzusetzen, was ihm als Trainer des FC Bayern maximalen Erfolg bescherte. Das Spanien-Spiel brachte ihn dahingehend einen Schritt weiter. Gegen Costa Rica sind weitere Anpassungen nötig.

Der Unterschiedsspieler: Leroy Sané

Der Unterschiedsspieler: Leroy Sané

Foto: dpa/Federico Gambarini

Hansi Flick ist ein Erfolgstrainer. Behaupten sie zumindest in München, wo er dafür verantwortlich zeichnete, dass die Bayern plötzlich sechs Trophäen mehr in der Vitrine stehen hatten. Ansonsten war der Bammentaler im Weltfußball überwiegend als Co-Trainer unterwegs. Und, gut, als solcher war er an Joachim Löws Seite schon mal Weltmeister. Auf weitergehende Erfahrungen als leitender Angestellter eines Profi-Klubs muss er allerdings verzichten, weshalb er nun als oberster Trainer des Landes allein auf das Know-how, das er sich bei den Bayern erworben hat, zurückgreifen muss. Er tut das natürlich sehr gern in Erinnerung an das Triple 2020 und versucht seither, jenes System auf die Nationalmannschaft zu übertragen. Einziges Problem: Es mangelt ihm an fachgerechtem Personal, das die schönen Planspielchen auch umsetzen kann.

In der Defensive kann er nicht zurückgreifen auf zuverlässige frühere Bayern-Größen wie David Alaba und Jerome Boateng, und auf den Außen muss er verzichten auf Weltklasseformat, das Benjamin Pavard und Alphonso Davies verkörpern. Ganz vorne, da wo ein Mittelstürmer zu stehen hat, standen zu oft aus Mangel an Alternativen eher feingeistige Mittelfeldspieler. Bislang.

Der Bundestrainer muss also einiges zusammenflicken, um eine kompakte Einheit ins Rennen zu schicken. Das funktionierte beim 1:1 gegen Spanien mal gut, mal weniger. Thilo Kehrer, ein alter Lieblingsspieler des DFB-Coaches, hat nicht den Beweis geführt, eine zuverlässige Größe zu sein als Rechtsverteidiger. Nicht nur beim Gegentreffer lud er den Leipziger Dani Olmo zur Flanke ein, die Alvaro Morata veredelte. Doch nur in dieser Aktion sah Niklas Süle so schlecht aus wie als Hilfsaußenverteidiger gegen Japan. Der Hüne schrumpfte also nicht erneut zum Scheinriesen, seine Beförderung von Flick zum Innenverteidiger hatte sich gelohnt. Vielleicht ist es an der Zeit, Lukas Klostermann trotz mangelnder Spielpraxis auf dieser Position eine Chance zu geben.

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Foto: AFP/INA FASSBENDER

Von der gegenüberliegenden Seite Kehrers gab es Erfreuliches zu berichten aus der Spanien-Partie. Vielleicht hat sich David Raum auch einfach an den gebürtigen Linksverteidiger Hans-Peter Briegel erinnert, der schon in den wilden 80ern wusste, dass zu einem Rundumsorglospaket eines Linksverteidigers eben auch die Defensive zählt. Auch eine Rippenprellung, die er sich gegen Spanien zuzog, wird Raum nicht daran hindern, weiterhin ruhelos zwischen den Polen hin- und herzusprinten.

Im Mittelfeld erinnerte sich dann Flick an seine Bayern-Zeit und brachte mit dem erprobten Münchner-Maschinenraum-Duo Joshua Kimmich/Leon Goretzka die gegen Japan vermisste Stabilität zurück. Es ist nicht anzunehmen, dass dieser Münchener-Block wie gegen Japan, als Goretzka auf Flicks Anordnung aussetzte, gesprengt wird. Eher könnte es den vorgezogenen „Zehner“ Ilkay Gündogan auf die harte Ersatzbank verschlagen, da Leroy Sané nach seiner Einwechslung gezeigt hat, dass ihn ein früherer Manchester-City-Trainer Pep Guardiola nicht umsonst einmal als Super-Super-Spieler betitelte.

Überhaupt: Der Bundestrainer hatte gegen die bemerkenswert ballsicheren Spanier diesmal den besseren Kurs gewählt in der Wechselstube. Den entscheidenden Tausch nahm Flick vor, als er Füllkrug brachte. Bisher hatte es der Bundestrainer geschickt zu verbergen verstanden, dass Deutschland doch einen Mittelstürmer besitzt. Sowohl Sané mit seiner Kreativität und gewohnten Fähigkeit, den Ball auch im rasenden Tempo nicht vom Fuß zu verlieren, als auch dieser wuchtige Füllkrug waren entscheidende Faktoren, dass nach vorn noch mal die Schlagzahl, mithin die Qualität erhöht wurde. Auf diese Qualität der unbedingten Konsequenz im Abschluss wie beim Ausgleich musste das DFB-Team lange verzichten. Auch im abschließenden Gruppenspiel gegen Costa Rica werden diese Power und Entschlossen gefragt sein. Ohne Tore lässt sich eben kein Spiel gewinnen. Und einen Sieg benötigt die deutsche Mannschaft.

Tritt sie wie gegen Spanien auf und kann mit Leidenschaft und Wille einige Schwierigkeiten auf den Positionen übertünchen, dann dürfte dieser Sieg gegen die Zentralamerikaner zu erwarten sein.

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