WM-Kolumne von Berti Vogts Zu viele Spieler im DFB-Team sind sich zu ähnlich

Exklusiv | Mönchengladbach · Der frühere Bundestrainer schreibt exklusiv für die Rheinische Post, was er dem deutschen Team bei der WM in Katar zutraut, welche Schwächen er sieht und welche Spieler Verantwortung übernehmen müssen.

 Ex-Bundestrainer Berti Vogts.

Ex-Bundestrainer Berti Vogts.

Foto: dpa/Patrick Seeger

Deutschland hat immer sehr gute Weltmeisterschaften gespielt. Ich hoffe, dass die Spieler wissen, dass eine Verantwortung daraus erwächst, für eine so große Fußballnation bei einer WM zu spielen. Wichtig ist, dass die Mannschaft funktioniert. Persönliche Befindlichkeiten dürfen keine Rolle spielen. Es muss alles stimmen für den Erfolg, dafür müssen alle alles tun. Das war bei allen erfolgreichen Turnieren der deutschen Nationalmannschaften so.

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Ein Problem: Wir haben zu viele Spieler, die zu gleich sind und keine herausragenden Spieler auf einigen Positionen, vor allem in der Defensive. Trotzdem geht es darum, den deutschen Fußball würdig zu vertreten. Um das zu tun, ist mindestens das Viertelfinale Pflicht. Danach muss man schauen, welche Gegner kommen. Ja, uns kann im Viertelfinale Brasilien drohen. Aber ich sage: Angst müssen wir vor keinem Gegner haben.

Unsere Mannschaften können bei jedem Turnier über das Limit gehen. Das war immer unser großes Plus, dafür beneiden uns die anderen Länder. Dabei wird es gerade auf die Spieler ankommen, die schon Weltmeisterschaften gespielt haben. Und wir haben die Spieler des FC Bayern, die sich in der Champions League auf höchsten Niveau bewiesen haben. Darum ist die Bayern-Achse im Team enorm wichtig, vor allem Neuer, Kimmich, Goretzka und Müller. Sie haben die Gewinner-Mentalität, mit der sie vorangehen und die anderen mitreißen müssen.

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Die deutsche Gruppe ist mit Japan, Spanien und Costa Rica sehr ausgeglichen. Japanische Teams spielen sehr deutsch, weil sie unseren Fußball bewundern. Oft haben sie aber zu viel Respekt in den Spielen. Allerdings spielen viele Japaner nun in der Bundesliga und wissen, worauf es ankommt. Mir wäre es lieber gewesen, Japan nicht zum Auftakt zu haben, es ist ein sehr unangenehmer Gegner. Spanien ist ein 50:50-Spiel, die Spanier haben eine der stärksten Mannschaften im Turnier und spielen wie Portugal einen tollen Fußball. Auch bei Costa Rica gilt: Vorsicht, denn die Mannschaft ist schwer einzuschätzen. Aber Deutschland muss die Gruppe ohne Wenn und Aber überstehen, ein Aus in der Vorrunde wäre eine Katastrophe.

Gespannt bin ich auf Youssoufa Moukoko. Er ist gerade 18 Jahre alt und macht wichtige Erfahrungen. Ich war selbst 1970 in Mexiko als ganz junger Spieler dabei, das hat mir enorm viel gebracht. Er wird kein Stammspieler sein, aber wenn er eingewechselt wird, muss er mutig sein. Jamal Musiala ist schon etwas weiter. Er muss jedoch ebenfalls unbekümmert bleiben, sich die pure Spielfreude erhalten. Die jungen Kerle tragen keine Verantwortung, dafür sind andere da. Gut ist, dass Hansi Flick Niclas Füllkrug mitgenommen hat. Wir hatten immer starke Mittelstürmer, die gerade in engen Spielen entscheidend waren. Auch er darf nicht groß nachdenken, sondern muss einfach seine Tore machen – wie jetzt gegen den Oman.

Die Erfahrung im Team plus die Unbekümmertheit, wenn das gut zusammenwächst, haben wir auch trotz einiger Schwächen im Kader die Chance, ganz weit zu kommen. Der Zeitpunkt des Turniers darf keine Entschuldigung sein, normalerweise wird in der Zeit Bundesliga gespielt, die Spieler bleiben im Rhythmus. Ein Wort noch zur WM generell: Den Austragungsort Katar hätte man sich vor zwölf Jahren hinterfragen müssen – jetzt sollten wir uns auf den Sport konzentrieren. Darauf werde ich in den kommenden Wochen schauen.

Berti Vogts (75) ist als Spieler mit Deutschland Welt- und Europameister geworden. 1996 führte er das DFB-Team als Bundestrainer zum letzten EM-Triumph. Während der der Weltmeisterschaft in Katar wird Vogts für die Rheinische Post immer wieder über besondere Themen des Turniers und über die deutsche Nationalmannschaft schreiben.

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