„Umweltsauerei“ Wie nachhaltig ist die WM in Katar?
Doha/Köln · Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar soll die „nachhaltigste aller Zeiten“ werden. Doch die vom Wüsten-Turnier verursachten Umweltsünden sind unverkennbar.

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Sechs eigens für die WM errichtete Stadien, größtenteils voll klimatisiert. Pendelflüge für Fans, die keine Unterkunft finden. Das alles in einem Land, das 2019 die schlechteste CO2-Bilanz weltweit aufwies. Und doch soll die Endrunde in Katar die nachhaltigste WM der Geschichte werden. Wie jetzt?
„Diese WM ist sicherlich alles, aber nicht umweltfreundlich“, betonte Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) im Gespräch mit dem SID. Es sei aufgrund der klimatischen Bedingungen und dem Bau der Infrastruktur „eher damit zu rechnen, dass es eine der unökologischsten Weltmeisterschaften aller Zeiten wird“, sagt Fischer.
Die Fifa hält dagegen. Zusammen mit dem Emirat wurde eine 109-Seiten umfassende Nachhaltigkeitsstrategie ausgearbeitet, die eine „klimaneutrale“ WM verspricht. Das Turnier punkte vor allem durch kurze Wege, energieeffiziente Klimatisierung und emissionsarmes Wasser- und Abfallmanagement. Die Organisatoren rechnen mit einem Gesamtausstoß von insgesamt 3,6 Millionen Tonnen CO2 – 95 Prozent davon verursacht durch Verkehr und den Bau von Infrastruktur.
Und genau dort liegt laut Kritikern das Problem. „Das Land ist nicht das richtige für eine WM“, sagt Fischer. Die Infrastruktur (Stadien, Hotels, Metro) musste größtenteils neu geschaffen werden, dazu setzt das kleine Emirat überwiegend auf fossile Energieträger. Das Turnier sei ein „Paradebeispiel für Greenwashing“, sagt Fischer, der von einer „Umweltsauerei“ spricht.
Zur Kompensation der immensen C02-Emissionen wurden im Laufe der WM-Bauarbeiten rund eine Million Bäume gepflanzt. Problem: Katar, eine Halbinsel umgeben vom überhitzten Persischen Golf, zählt zu den heißesten und trockensten Gegenden der Welt - weshalb die Bäume künstlich bewässert werden müssen. Dafür kommen in dem Wüstenstaat zehn energieintensive Meerwasserentsalzungsanlagen zum Einsatz - und der Kompensationseffekt ist dahin.

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„Vermeidbare Emissionen sollten vermieden werden. Und nur unvermeidbare Emissionen sollten kompensiert werden. Hier ist aber das Gegenteil der Fall. Viele der Emissionen hätten im Voraus vermieden werden können“, sagt Fischer. Die Kompensationsbemühungen seien daher „Augenwischerei“.
Dabei hat sich das kleinste Land, das je eine Fußball-Weltmeisterschaft ausgetragen hat, auch innovative Lösungen überlegt. Ein Vorzeigeobjekt des vermeintlich „klimaneutralen“ Turniers ist das aus Containern erbaute Stadion 974.
Die Arena, die ihren Namen den 974 verbauten Schiffscontainern sowie der internationalen Telefonvorwahl Katars verdankt, kann nach dem Turnier komplett abgebaut und andernorts neu aufgebaut werden. Eine modulare Bauweise und eine spätere Wiederverwendung könne „durchaus Sinn machen“, sagt Fischer, er fügt aber an, dass es „dennoch am sinnvollsten wäre, eine WM da auszurichten, wo die Infrastruktur schon vorhanden ist“.

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In die gleiche Kerbe schlägt auch Philip Krämer, stellvertretender Vorsitzender im Sportausschuss vom Bündnis 90/Die Grünen. Das Thema Umweltschutz müsse bereits bei der Vergabe eine „hohe Stellung einnehmen, um Akzeptanz bei der Bevölkerung zu schaffen und der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden“, so Krämer, der an der Klimaneutralität des Turniers „stark zweifelt“.
Dennoch sind die Klimaversprechen der Organisatoren für das Turnier groß – es soll „ein Maßstab für Umweltverantwortung in der Region“ gesetzt werden, heißt es in der Nachhaltigkeitsstrategie. Was für ein Maßstab das sein wird, da sind Fifa und Umwelt-Experten unterschiedlicher Meinung.