„Wir sind auch verletzlich“ Niederländer Dumfries spricht offen über mentale Probleme

Doha/Düsseldorf · Mit zwei Vorlagen und einem Tor war Denzel Dumfries der überragende Mann beim Sieg der Niederlande gegen die USA. Zuvor hatte er ob seiner Leistungen bei der WM aber in der Kritik gestanden. Eine Sportpsychologin half ihm dabei, damit fertig zu werden.

 Denzel Dumfries (M) von den Niederlanden jubelt nach seinem Tor zum 3:1 gegen die USA.

Denzel Dumfries (M) von den Niederlanden jubelt nach seinem Tor zum 3:1 gegen die USA.

Foto: dpa/Tom Weller

Während des WM-Achtelfinals der Niederlande gegen die USA steht Denzel Dumfries frei im gegnerischen Strafraum. Er hebt den Arm, dann kommt die Flanke von Teamkollege Daley Blind. Dumfries versenkt den Ball mit dem linken Schienbein im langen Eck, das 3:1 ist die Entscheidung und die dritte Torbeteiligung des Rechtsverteidigers. Der Niederländer läuft jubelnd ein wenig Richtung Eckfahne und springt dann vor Freude in die Luft. Wie viel Erleichterung in diesem Sprung steckt, erzählt er im Nachgang.

Denn während der Gruppenphase war Dumfries in einer recht uninspiriert spielenden niederländischen Mannschaft eher negativ als positiv aufgefallen und musste viel Kritik an seinen Leistungen einstecken. Bei der EM 2021 war der Mann von Inter Mailand mit zwei Toren zu Beginn des Turniers noch einer der Helden gewesen, anderthalb Jahre später dann das. „Die Kritik, die ich bekommen habe, war nicht schön“, sagte Dumfries „De Telegraaf“. „Man fühlt, dass man es besser kann, als man es gezeigt hat. Mental war es sehr schwierig, sich darüber hinwegzusetzen.“

Doch der 26-Jährige hat einen Weg gefunden und redete auch ganz offen darüber: Er hat sich Hilfe bei der Sportpsychologin Annemieke Zijerveld geholt. Er habe über Video-Meetings viel Kontakt mit ihr gehabt, erzählte Dumfries: „Es ist nicht immer leicht, Fußballer zu sein, es macht was mit dir. Du willst wichtig sein, du willst das Beste geben für das Team. Dafür ist auch eine gewisse mentale Belastbarkeit sehr wichtig.“ Darüber zu sprechen sei vielleicht „ein kleines Tabu“.

Damit hat Dumfries sicher recht. Zwar wird Psychologie heutzutage im Fußball immer wichtiger, was auch Vereine und Nationalteams erkennen, die Mentaltrainer oder Sportpsychologen anstellen. Doch nur die wenigsten Akteure sprechen ganz offen darüber. Einer von ihnen ist Benjamin Pavard von Bayern München, der während der Hochphase der Corona-Pandemie unter Depressionen litt und dies öffentlich machte. Der Franzose ist auch bei der WM dabei, bei der nochmal ein ganz anderer Druck auf den Spielern lastet. Seit einer schwachen Leistung im ersten Spiel stand er aber nicht mehr auf dem Rasen. Er sei „nicht im richtigen Zustand zu spielen“, wie Nationaltrainer Didier Deschamps erklärte. „Mental wie körperlich hat ihm das erste Spiel nicht gutgetan.“

Wie viel Druck auf den Spielern lastet, ist vor allem im Elfmeterschießen oft zu sehen. Die beiden bisherigen in diesem Turnier lieferten zahlreiche Beispiele dafür – so viele schwach geschossene Elfmeter haben wenig mit mangelndem Können zu tun, wie auch die von Dumfries konsultierte Sportpsychologin Zijerveld gegenüber „De Telegraaf“ sagte: „Das Gehirn ist der Ausgangspunkt von allem. Jede Aktion, die ein Spieler macht, wird vom Gehirn initiiert. Wenn man viel Stress oder Angst hat, gibt es eine Verzögerung im System und die Ausführung einer Aktion wird nie perfekt sein.“ Als Spieler sei es die „hohe Kunst“, das „Kraftfeld“, das durch den enormen Druck bei einer solchen WM entstehe, für sich zu nutzen: „Dann kann man sich selbst übertreffen.“ Die meisten Spieler holten sich vor allem deshalb psychologische Hilfe, um im richtigen Moment den bestmöglichen Fokus zu haben und nicht, weil sie gerade ein mentales Problem hätten.

So ist es im Regelfall auch bei Dumfries, der Zijerveld schon aus seiner Zeit bei Sparta Rotterdam (2014 bis 2017) kennt und sich mit ihr austauscht. Nach der Gruppenphase sei es mental für ihn „sehr schwierig“ gewesen, wie er jetzt verriet. „Dann musst du die innere Ruhe finden und zur Basis zurückkehren. Dabei hilft sie mir und dafür bin ich sehr dankbar“, erklärte Dumfries. Der mentale Aspekt sei bei einem Fußballer unterbelichtet, „wir sind auch verletzlich“, sagte Dumfries. „Ich denke, wenn man dafür offen ist, kann man auch andere ermutigen, sich Hilfe zu suchen, wenn sie nötig ist.“ Das Beispiel Dumfries gegen die USA zeigt, wozu das führen kann. Ob seine Erfolgsstory weitergeht, zeigt sich am Freitagabend (20 Uhr/MagentaTV und ARD) im Viertelfinale gegen Argentinien.

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