Fifa mit falschem Ansatz Die lange Nachspielzeit bei der WM ist eine Farce
Meinung | Düsseldorf · In Katar wird in jedem Spiel sehr lange nachgespielt, um verloren gegangene Zeit auszugleichen. Der Grundgedanke ist richtig, doch die Lösung ist eine absolute Farce. Es gäbe einen wesentlich einfacheren Weg.
24 Minuten wurden beim Spiel England gegen den Iran am Montag nachgespielt. Also mehr als ein Viertel der Gesamtspielzeit. Eigentlich war es sogar noch mehr, denn die angezeigte Nachspielzeit der beiden Hälften wurde dann nochmals überzogen. Der Treffer in der 90.+13 von Irans Mehdi Taremi war das späteste Tor einer WM in der regulären Spielzeit, das von Davy Klaassen aus den Niederlanden ein Spiel später (90.+9) das zweitspäteste.
Die Fifa hat erkannt, dass Fußballspiele unerträglich lange Unterbrechungen für Nonsens haben, also neben den logischen Unterbrechungen für Torjubel und Verletzungen wären das Diskussionen mit dem Schiedsrichter oder Zeitspiel. Im August betrug die Netto-Spielzeit, also die Zeit, in der der Ball tatsächlich rollt, in der englischen Premier League laut „fussballdaten.de“ lediglich 54:39 Minuten. In den anderen Top-Ligen Europas noch weniger, in der Bundesliga zum Beispiel 53:19 Minuten.
Die Lösung der Fifa für das Problem ist allerdings mal wieder hanebüchen. Es ist zwar wenigstens nicht der völlig an der Realität vorbeigehende Vorschlag des Präsidenten Gianni Infantino geworden, der meinte, man könne die Zeit auf 100 Minuten pro Spiel erhöhen. Aber diese Monster-Nachspielzeiten, die es jetzt in Katar gibt, sind ebenfalls eine absolute Farce.
Dass es nicht falsch verstanden wird: Grundsätzlich machen es die Schiedsrichter ja richtig, denn letzten Endes wird so die Zeit, die verloren geht, konsequent nachgeholt. Es gäbe aber einen wesentlich einfacheren Weg, einen, der in so ziemlich jeder anderen Sportart, in der es eine Uhr gibt, normal ist: Man könnte die Zeit einfach anhalten, wenn der Ball nicht rollt.
Das erste Argument, das dagegen kommt, ist immer dasselbe: „Aber dann dauern Spiele doch viel länger!“ Nein. Tatsächlich ist es doch so, dass die Spiele dieser WM jetzt erst dadurch so unberechenbar werden, weil es diese extrem langen Nachspielzeiten gibt. Aber vor allem: Mit dem Anhalten der Uhr ginge natürlich eine Verringerung der Spielzeit an sich einher. Hier könnte man sich an den oben genannten Netto-Spielzeiten der Top-Ligen orientieren und vielleicht 60 Minuten ansetzen. Diese 60 Minuten verbrauchen sich aber immer nur dann, wenn der Ball im Spiel ist. Bei keiner Verletzung, keinem Torjubel, keiner Auswechslung.
Das würde die Fairness im Fußball auf einen Schlag um ein Vielfaches erhöhen, weil auch die inzwischen immer kreativer werdenden Zeitspieleinlagen mancher Teams nichts mehr bringen. So, wie es aktuell läuft, ermutigt es ja nur dazu, Zeit zu schinden - egal auf welch schäbige Art und Weise. Wer Zeit von der Uhr nehmen will, müsste das bei einer stoppenden Uhr spielerisch lösen.
Argumente dagegen gehen selten über das eben genannte hinaus, alles was dagegen spricht sind romantisierende Vorstellungen wie, dass Sepp Herbergers Spruch über den runden Ball und ein 90 Minuten dauerndes Spiel dann nicht mehr passt. In der Fifa ist man da offenbar ähnlich gestrickt und lässt lieber 24 Minuten nachspielen. „Wir wollen nicht, dass es in einer Halbzeit nur 42 oder 43 Minuten aktives Spiel gibt, das ist nicht akzeptabel“, meinte Schiedsrichter-Chef Pierluigi Collina. Nicht akzeptabel ist eher, dass man die einfachste, offensichtlichste und beste Lösung partout ignoriert.