Umgang mit Irans Keeper Der Fußball sendet ein fatales Zeichen

Meinung | Düsseldorf · Irans Torhüter Alireza Beiranvand rasselt beim Spiel gegen England mit seinem Mitspieler zusammen und wird anschließend minutenlang behandelt. Dennoch versucht er, trotz offensichtlicher Beeinträchtigung, weiterzuspielen. Dass weder die Teamärzte noch die Mitspieler ihn davon abhalten, ist ein fatales Zeichen.

 Irans Torwart Alireza Beiranvand wird wegen einer Verletzung behandelt.

Irans Torwart Alireza Beiranvand wird wegen einer Verletzung behandelt.

Foto: dpa/Robert Michael

Es war eine Szene, die allein schon beim Zuschauen Schmerzen verursachte. Acht Minuten waren im Vorrundenspiel zwischen England und Iran gespielt, als Englands Kapitän Harry Kane nach einem kurz ausgeführten Freistoß eine Flanke in den iranischen Strafraum schlug. Dort hatten allerdings Torhüter Alireza Beiranvand und Abwehrspieler Majid Hosseini dieselbe Idee und wollten den Ball vor den gegnerischen Spielern verteidigen. Die Folge: Die beiden Teamkollegen krachten mit voller Wucht zusammen.

Es war der Beginn eines unwürdigen Schauspiels, das erneut die Frage aufwarf, warum im Fußball bei Kopfverletzungen immer noch nicht konsequenter gehandelt wird.

Denn dass der 30-jährige Keeper nicht mehr in der Lage war, weiterzuspielen, hätte auch jeder der rund 45.000 Zuschauerinnen und Zuschauer im Khalifa International Stadium ohne Approbation mühelos diagnostizieren können. Dass er es nach minutenlanger Behandlung und blutender Nase dennoch tat, war erstens leichtsinnig und zweitens schlichtweg dumm sowie verantwortungslos – seinem Team gegenüber, aber in aller erster Linie sich selbst und seiner eigenen Gesundheit.

Aber nicht nur Beiranvands vermeintlich heroisches Verhalten, sich trotz offensichtlicher Beeinträchtigung in den Dienst der Mannschaft zu stellen, sorgte für Kopfschütteln, sondern auch das Nicht-Intervenieren der herbeigeeilten Teamärzte, die hätten entscheiden sollen, den Torhüter umgehend auszutauschen. Stattdessen blieb er anschließend noch für eine kurze Zeit auf dem Platz, ehe er erneut zu Boden sackte und sich endlich auswechseln ließ.

Dass mit dem Thema Kopfverletzungen im Fußball mitunter noch viel zu sorglos umgegangen wird, ist nichts Neues. Bereits vor einigen Monaten hat unsere Redaktion über dieses Thema berichtet. Zudem warnen Wissenschaftler regelmäßig vor den Spätfolgen solcher Verletzungen wie zum Beispiel einer Gehirnerschütterung. Passiert ist dennoch erschreckend wenig. Zwar veröffentlichte der europäische Fußballverband Uefa im vergangenen Jahr eine Charta, in der unter anderem der Ablauf der medizinischen Untersuchung bei Kopfverletzungen während eines Spiels auf Uefa-Ebene geregelt ist. Die Praxis – siehe Beispiel Iran – zeigt jedoch, dass vieles weiter graue Theorie ist.

Bei der WM – bekanntlich ein Fifa-Wettbewerb – wurde vor Turnierbeginn übrigens eine Neuerung eingeführt. Demnach darf ein Spieler, bei dem eine Gehirnerschütterung oder wie bei Beiranvands nur der Verdacht darauf besteht, ausgewechselt werden, ohne dass dadurch das Wechselkontingent von fünf Spielern betroffen ist. Entsprechend durfte Irans Nationaltrainer Carlos Queiroz sechs Mal wechseln. Immerhin.

Bei all den neue Ideen und Präventionsmaßnahmen sind aber auch die Akteure auf dem Spielfeld gefordert, sich mehr mit den Konsequenzen ihres Handelns auseinanderzusetzen. Zu glauben, sich angeschlagen oder mit einem vor Blut triefenden Turban in den nächsten Zweikampf zu werfen, sei ein Zeichen von Willen und Uneigennützigkeit, ist ein fataler Irrtum.

Fehlt diese Einsicht, muss das medizinische Personal im Sinne des Spielers umso konsequenter Handeln. Wie sowas aussehen sollte, wurde übrigens im selben Spiel offenbar, als Englands Harry Maguire im Laufe der zweiten Halbzeit sichtlich angeknockt ausgewechselt wurde.

Hier gingen die Teamärzte nach eingehender Erstuntersuchung kein unnötiges Risiko ein. Es war die einzig richtige Entscheidung.

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