Kevin De Bruyne vor WM-Halbfinale „Wir sind noch nicht fertig“

St.Petersburg · Erst als Sechser, zuletzt in einer offensiveren Rolle: Kevin De Bruyne dominiert Belgiens Spiel bei dieser WM. Auch die Rückschläge und Enttäuschungen in seiner Karriere haben den 27-Jährigen geprägt. Nun will er seine Generation zum lang ersehnten Titel führen.

 Kevin de Bruyne aus Belgien bejubelt den 1:2-Sieg seines Teams im Viertelfinale gegen Brasilien.

Kevin de Bruyne aus Belgien bejubelt den 1:2-Sieg seines Teams im Viertelfinale gegen Brasilien.

Foto: dpa/Matthias Schrader

Nationaltrainer Roberto Martínez sieht in ihm den „ultimativen Spielmacher“, die Zeitung „Le Soir“ adelt ihn als „würdigen Nachfolger von Xavi, Andrés Iniesta und Andrea Pirlo“: Kevin De Bruyne prägt und lenkt Belgiens Spiel bei dieser WM. Der 27-Jährige glänzt in Russland als Stratege und Regisseur, aber genauso offensiv als Torschütze und Passgeber. Nun will der frühere Bundesliga-Fußballer seine Mannschaft zum Titel führen. „Wir sind im Halbfinale, jetzt wollen wir auch ins Finale“, sagte er vor dem Duell mit Frankreich am Dienstag (20 Uhr MESZ/ARD und Sky).

Seit seinem Wechsel vom VfL Wolfsburg zu Manchester City hat sich der Rotschopf zum Weltklasse-Spieler entwickelt. Mit 16 Assists war er vergangene Saison der beste Vorbereiter der Premier League, für Belgien hat er in 66 Länderspielen 15 Tore erzielt. „Es gibt Spieler in Belgien, die die Chance haben, den Goldenen Ball zu gewinnen“, sagte Thomas Vermaelen auch mit Blick auf De Bruyne und die jährliche Wahl zum besten Fußballer der Welt.

Bei der WM in Russland beweist der Mittelfeldspieler nun seine ganze Variabilität. In der Gruppenphase und im Achtelfinale gegen Japan ließ Martínez seinen Musterschüler im defensiven Mittelfeldzentrum agieren. De Bruyne ordnete das Spiel, leitete Angriffe ein, gab den Takt vor. Im Viertelfinale gegen Brasilien änderte Martínez seine Taktik und bot De Bruyne als offensiven Zehner mit allen Freiheiten nach vorne auf, fast schon als verkappter Mittelstürmer. Und er nutzte die Räume und traf mit seinem satten Rechtsschuss zum 2:0. „Ich mache, was man machen muss, um zu gewinnen“, sagte er zu seinen wechselnden Rollen im Team. „Ich mache meinen Job.“

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Foto: dpa/Thanassis Stavrakis

De Bruyne will Verantwortung übernehmen und er führt die Mannschaft gemeinsam mit Kapitän Eden Hazard, der zuletzt auf den linken Flügel auswich und De Bruyne zentral den Platz ließ, den dieser für seine genialen Pässe braucht. „Kevin ist immer noch unterschätzt, wenn man unser Spiel bewertet. Er ist ein entscheidender Spieler, er setzt die Offensiven in Szene“, lobte Martínez seinen Strategen. Oft spielt der frühere Bremer und Wolfsburger bei den gefürchteten Kontern Belgiens bei dieser WM den entscheidenden vorletzten oder letzten Pass.

Bei der WM 2014 und der EM 2016 schied De Bruyne mit Belgien jeweils im Viertelfinale aus - Erfahrungen, die ihn geprägt haben. „Wir haben lange darauf gewartet und wir sollten stolz darauf sein“, sagte er nach dem Halbfinaleinzug. Teamkollege Vermaelen urteilte: „Dank der Erfahrung der letzten Turniere und der Entwicklung von Spielern wie De Bruyne haben wir endlich auch einen großen Gegner besiegt.“

Gerade weil er weiß, wie sich Niederlagen anfühlen, tröstete De Bruyne nach dem Viertelfinal-Erfolg gegen Brasilien den enttäuschten Neymar. Mit seinen Teamkollegen bedankte er sich kurz bei den Fans, eine große Party feierten er und die anderen Belgier nicht. „In der Kabine war es ruhig. Wir sind noch nicht fertig mit dem, was wir erreichen wollen“, berichtete der Offensivspieler nach der Partie nüchtern und sachlich, die Kopfhörer in den belgischen Landesfarben baumelten um seinen Hals. „Nach der WM können wir es dann genießen.“

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Foto: AFP/EMMANUEL DUNAND

Mit Wolfsburg gewann De Bruyne den DFB-Pokal, wurde Vize-Meister und entwickelte sich zum absoluten Leistungsträger. 76 Millionen war der Regisseur Manchester City schließlich wert. Auch sein Club-Trainer Pep Guardiola, der ihn eigentlich schon zum FC Bayern holen wollte, ist überzeugt von De Bruyne: „Von seiner Spielweise her ist es schwierig, einen besseren in Europa zu finden.“ Auch er sieht in ihm „absolut“ einen Kandidaten für die Weltfußballer-Wahl.

Dabei war De Bruynes Weg in die Weltspitze nicht immer leicht. Beim FC Chelsea konnte er sich nicht auf Anhieb durchsetzen, es folgten eine Leihe zu Werder Bremen und schließlich der Wechsel zum VfL Wolfsburg. Privat musste er die Affäre seines Nationalteam-Kollegen Thibaut Courtois mit seiner damaligen Freundin 2013 wegstecken.

Doch De Bruyne entschied sich, mit dem Keeper weiterzuspielen - in Russland haben nun beide mit ihren Leistungen großen Anteil am Halbfinaleinzug und kämpfen gemeinsam um den Titel. „Wir wollen alle ins Finale, in das Spiel, auf das die ganze Welt schaut“, kündigte De Bruyne an. „So eine Chance erlebst du nur einmal, wenn überhaupt.“

(sef/dpa)
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