Ortsbesuch in Belgien Schwarz-Gelb-Rot statt Schwarz-Rot-Gold

Eupen · Im belgischen Eupen spricht jeder Deutsch. Trotzdem fiebern die Menschen bei der WM nur mit einem Team mit. Ein Ortsbesuch.

 Viele Autos und Häuser in Eupen sind mit Belgien-Fahnen geschmückt.

Viele Autos und Häuser in Eupen sind mit Belgien-Fahnen geschmückt.

Foto: Tim Kronner

Auf dem Parkpatz am Eupener Stadtpark steht ein Mann. Alain Brock trägt ein rotes Shirt mit Belgien-Wappen, eine Belgien-Uhr, Belgien-Schuhe, Belgien-Armbänder, und sogar seine Brille strahlt in schwarz, gelb und rot. „Die Reihenfolge ist sehr wichtig“, sagt Brock in Anbetracht dessen, dass Eupen nur knapp 15 Kilometer hinter der deutschen Grenze liegt und hier jeder Deutsch spricht. „Schwarz-Gelb-Rot, nicht Schwarz-Rot-Gold“, stellt er klar.

Noch steht er ganz alleine auf dem großen Platz – doch das wird nicht so bleiben. Denn am Freitagabend beim Viertelfinale der WM werden hier mehr als 3.000 Fans die Brabançonne, die belgische Nationalhymne, in den Himmel schreien. „Ganz Belgien ist heiß auf dieses Spiel. Wir warten seit 16 Jahren auf die Revanche gegen Brasilien“, sagt Brock, der das Public Viewing in Eupen organisiert.

Bei der Weltmeisterschaft 2002 schied Belgien im Achtelfinale gegen Brasilien aus. Brocks Reaktion damals: Er gründete den Verein „Rote Teufel Eupen“, und damit den ersten Fanclub der belgischen Nationalmannschaft. Seitdem ist die Fußballbegeisterung im Land der Roten Teufel noch größer geworden. Belgien hat rund 11,5 Millionen Einwohner, knapp acht Prozent davon sind im Fußball aktiv. Auf Vereinsebene läuft die erste belgische Liga, die „Pro League“, aber der Bundesliga hinterher. „Die Belgier haben die Bundesliga im Blick, aber die Roten Teufel im Herzen“, erklärt Brock. Der größte Erfolg des Landes war der vierte Platz bei der WM 1986 – das soll beim Turnier in Russland übertroffen werden.

 Manfred Schumacher (l.), Wirt des Café Columbus, und Alain Brock, Organisator des Public Viewings – und laut Bürgermeister „der Belgischste aller Belgier“ in Eupen.

Manfred Schumacher (l.), Wirt des Café Columbus, und Alain Brock, Organisator des Public Viewings – und laut Bürgermeister „der Belgischste aller Belgier“ in Eupen.

Foto: Tim Kronner

Vom Parkplatz am Stadtpark schlendert Brock um eine Hausecke herum direkt zum „Café Columbus“. Dort treffen sich viele belgische Fans traditionell nach dem Public Viewing. Mit dem „Eupener Bier“ stoßen sie dort auf Siege an oder trinken sich Niederlagen erträglich. „Noch ist aber nicht die Zeit für Frust. Die nächsten drei Mal wird hier noch gefeiert“, ist Manfred Schumacher, der Wirt des Cafés, sicher. Gemeinsam mit Alain Brock sitzt er draußen in der Sonne und nippt an einem Espresso. „Es gibt vier Dinge, die Belgier vereint“, erzählt Brock. „Bier, Brüssel, Fritten und die Nationalmannschaft.“

Davon abgesehen gibt es so etwas wie ein Zusammengehörigkeitsgefühl in Belgien eher selten. Das Land ist tief gespalten, immer wieder kommt es zu Konflikten zwischen den die niederländisch sprechenden Flamen im Norden und den französisch sprechenden Wallonen im Süden. Und dann gibt es da noch die „Deutschsprachige Gemeinschaft“ in Ostbelgien, deren Zentrum Eupen ist. Rund 77.000 Menschen leben in der Region, deren Amtssprache Deutsch ist.

 Eupens Bürgermeister Karl-Heinz Klinkenberg in seinem Büro im Rathaus. Draußen ist die belgische Fahne gehisst.

Eupens Bürgermeister Karl-Heinz Klinkenberg in seinem Büro im Rathaus. Draußen ist die belgische Fahne gehisst.

Foto: Tim Kronner

Zwei Straßen vom „Café Columbus“ entfernt schaut Bürgermeister Karl-Heinz Klinkenberg aus dem Fenster seines Büros im Rathaus. Dort hängt an einem Fahnenmast die belgische Flagge. „Wir sprechen zwar Deutsch, aber wir sind keine Deutschen“, sagt Klinkenberg. Deutschland in ein schlechtes Licht rücken will er damit aber nicht. Denn für einige deutsche Tugenden wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit werden die Ostbelgier im Rest des Landes hoch geschätzt. „Und als Deutschland 2014 den WM-Titel geholt hat, haben wir uns schon ein bisschen mit gefreut“, sagt Klinkenberg und schmunzelt. Er hofft, dass sich die Deutschen dafür beim Public Viewing am Stadtpark revanchieren. Es werden Fußball-Fans aus Aachen und Köln erwartet.

Wenn es die Zeit zulässt, schaut der Bürgermeister gerne im Stadion Fußball. Am liebsten ist er beim kleinen FC Eupen zu Gast, in dessen Jugendabteilung er lange aktiv war. Das Aushängeschild der Stadt ist aber die Königliche Allgemeine Sportvereinigung Eupen (KAS). Der größte Klub der Stadt spielt in der höchsten belgischen Spielklasse. Dort macht der Verein aber weniger durch erfolgreichen Fußball als durch ein Kuriosum von sich Reden. Seit 2012 gehört die KAS einer Unternehmensgruppe aus Katar, die dort afrikanische Talente fördert. Indem hoffnungsvollen Fußballern der Sprung in den Profisport ermöglicht wird, will sich der katarische Staat in ein gutes Licht rücken

 Francis Eussen führt seit 35 Jahren ein Sportgeschäft in Eupen.

Francis Eussen führt seit 35 Jahren ein Sportgeschäft in Eupen.

Foto: Tim Kronner

Die Trikots der KAS gehen im Sportgeschäft von Francis Eussen beileibe nicht so gut über die Ladentheke, wie die der belgischen Nationalmannschaft. Die hängen in einer Art Schrein in der Mitte des Raumes. Davor hat Eussen Kunstrasen verlegt und eine Ersatzbank aufgestellt. Deutsche Trikots hingegen sucht man hier vergeblich. „Die habe ich wieder zurück geschickt. Nach dem Vorrunden-Aus wollte die keiner mehr haben“, sagt Eussen. Ganz anders sieht das bei den Trikots der Roten Teufel aus – besonders die gelbe Variante reißen ihm die Belgier aus den Händen. „Alle zehn Minuten klingelt das Telefon, ob ich noch Trikots habe“, berichtet Eussen. Die meisten Größen seien lange ausverkauft. „Wenn die Nationalmannschaft spielt, hält einfach das ganze Land zusammen“, sagt Eussen und ergänzt: „In diesem Sinne könnte für Belgien ruhig öfter WM sein.“

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