Deutscher Trainer in Katar Ulli Stielike: "Ich wüsste nicht, wie ich helfen soll"

Doha/köln · Ulli Stielike erlebt die vielen Probleme in Katar hautnah mit. Er tut sich angesichts der weltweiten Kritik am WM-Gastgeber von 2022 schwer, seine Position zu finden.

Das Elend der Bauarbeiter in Doha erlebt Ulli Stielike auf dem Weg zum Training oder zurück. "Das nimmt mich mit, wenn man die Jungs sieht, bei 40 Grad, wie abgeschlafft und kaputt die in den Autobussen hängen", sagte der deutsche Trainer des katarischen Fußball-Klubs Al-Arabi im SID-Interview.

Der Europameister von 1980 bekommt die Probleme im Land des WM-Gastgebers von 2022 hautnah mit. Hunderte Tote hat es auf WM-relevanten Baustellen bereits gegeben, Gastarbeiter aus Nepal oder Indien arbeiten teils unter unmenschlichen Bedingungen. Stielike tut sich etwas schwer damit, angesichts der weltweiten Kritik am Emirat seine Position zu finden. "Letztens hieß es: Der nimmt keine Stellung. Das ist richtig - nicht, weil ich es nicht will, sondern weil ich es nicht kann", sagt der 59-Jährige an einem milden Abend vor dem Training auf dem Vorplatz des Al-Arabi-Stadions. Er besuche schließlich "keine Baustellen oder Camps, in denen die Bauarbeiter wohnen".

Stielike empfindet großes Mitleid, doch tun, so sagt er es, kann er eigentlich auch nichts. "Ich wüsste nicht, wie ich diesen Leuten helfen soll", sagt er ganz offen, "ich habe einen Vertrag hier, um dem Verein zu helfen. Ich muss selbst erst mal gucken, dass ich hier die Punkte vorweise und über Wasser bleibe."

Das war zuletzt nicht ganz einfach. Al-Arabi, der zweitälteste Fußball-Verein im Lande, einer der renommiertesten und beliebtesten Klubs, dümpelt im Mittelfeld dahin, eine Woche vor Weihnachten verlor Al-Arabi zu Hause gegen den Tabellenletzten 0:1. Es gab und gibt Kritik an Stielike - und die Besitzer katarischer Vereine sind nicht für ihre Geduld bekannt.

Ohnehin ist die gute Bezahlung ("mit Sicherheit besser als bei jedem europäischen Verein auf diesem Level") für Ulli Stielike wohl auch manchmal ein bisschen wie Schmerzensgeld. Er wohnt mit seiner Frau in Doha, doch üblicherweise sind "Mann und Frau hier stark getrennt". Auch er leidet bisweilen unter der Hitze, die erst beginne, wenn bei der Gradzahl eine 4 vorne stehe, auch er darf aufgrund des Bürgensystems Kafala ohne Genehmigung seines Vereinspräsidenten nicht das Land verlassen.

Dennoch ist Stielike seit fünf Jahren in Katar. "Wenn du nur an Geld denkst, musst Du Banker werden", sagt er, in Katar könne ein Trainer "wirkliche Aufbauarbeit" leisten. Das Bitten um eine Ausreiseerlaubnis sei auch keine Behinderung: "Ich muss nur einmal im Jahr aus dem Land, wenn ich am Saisonende in Urlaub gehe. Ich muss da nicht leiden."

Auf hohem Niveau kann der Vize-Weltmeister von 1982 nicht trainieren lassen. "Fußball hat vor allem mit Talent zu tun, und das ist etwas Angeborenes. Wenn man hier einen Ball aufs Feld rollen lässt, merkt man, dass man es nicht mit Straßenfußballern zu tun hat. Dann ist nicht diese Euphorie da, diese Leidenschaft", berichtet er.

Dementsprechend bescheiden schätzt Stielike die Perspektive des katarischen Fußballs ein: "Wenn man sich das Ziel setzt, eine anständige WM zu spielen, nicht unterzugehen, dann ist das für mich machbar." Mehr nicht.

(sid)
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