Toni Polster im Interview "Respekt wird niemals altmodisch"

Klagenfurt · Der 54-jährige Österreicher Toni Polster spricht über seinen Favoriten bei der Fußball-WM, Enttäuschung über die Landsleute, Unverständnis über Spieler, die die Hymne nicht mitsingen und seine Ambitionen als Trainer.

 Toni Polster lächelt in die Kamera (Archivbild).

Toni Polster lächelt in die Kamera (Archivbild).

Foto: dpa/Henning Kaiser

Für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft beginnt am Samstag in Klagenfurt gegen Österreich die heiße Phase der WM-Vorbereitung. Toni Polster spielte 95 Mal für Österreich und ist bis heute Rekordtorschütze (44 Treffer). In Deutschland war er Publikumsliebling beim 1. FC Köln (1993-1998) und bei Borussia Mönchengladbach (1998-2000) - eine Konstellation, die nicht viele andere Spieler geschafft haben. Mit seinem Wiener Schmäh ist vieles möglich gewesen. Auch Ausflüge als Schlagersänger mit den "Fabulösen Thekenschlampen" wurden ihm verziehen.

Herr Polster, Österreich hat sich nicht für die Weltmeisterschaft qualifiziert. Was gucken Sie im Sommer im Fernsehen?

Polster (lacht) Freundchen, Sie lassen es aber ganz schön krachen. Das war natürlich schon eine ziemlich große Enttäuschung. Nach der Qualifikation für die EM hatte ich gedacht, dass der österreichische Fußball weiter sei. Da bin ich dann wohl eines Besseren belehrt worden. Man muss sagen, wir sind sang- und klanglos ausgeschieden. Ein paar Punkte mehr, und wir wären immerhin Zweiter gewesen. So bleibt uns tatsächlich nur, zuzugucken, wie die anderen Spaß haben.

Wer wird denn Weltmeister?

Polster Deutschland. Ich habe vor vier Jahren auch die deutsche Nationalmannschaft getippt. Und auch diesmal legt sich das Polster-Orakel auf Deutschland fest. Für mich ist das nach wie vor die beste Mannschaft der Welt.

Österreich empfängt die deutsche Auswahl am Samstag zu einem Testspiel. Welchen Fehler sollte ein Deutscher auf keinen Fall machen, wenn er dabei nicht unangenehm auffallen will?

Polster (lacht) Zu viele Tore gegen uns schießen. Im Ernst: Da gibt es nichts, wo man aufpassen sollte. Alle, die sich das Spiel vor Ort anschauen, sollten viel Zeit mitbringen, um die fantastische Region ein wenig zu erkunden.

Wie ist eigentlich in Österreich aufgenommen worden, dass sich die Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Despoten Recep Tayyip Erdogan getroffen haben?

Polster Überhaupt nicht gut. Das hätten sie sich besser überlegen sollen. Ich ärgere mich auch immer über Spieler, die bei der Bundeshymne ihre Lippen keinen Millimeter auseinanderbekommen. Es hat etwas mit Respekt für das Land zu tun, für das sie auflaufen, von dem sie auch gutes Geld bekommen. Das ist ein Trend, der mir nicht gefällt. Wenn ich Österreicher mit Herz und Seele bin, dann ist es für mich eine Ehre, die Hymne mitzusingen.

Früher haben viele Nationalspieler auch nicht mitgesungen, sondern stattdessen auf ihrem Kaugummi rumgekaut.

Polster Mir ist wurscht, wer wann was gemacht hat. Das ist ja keine Frage des Zeitgeists, sondern des Respekts. So etwas hat sich noch nie gehört und wird es auch nicht. Respekt wird niemals altmodisch.

Welche Erwartungen haben Sie denn sportlich an die WM?

Polster Wenn man sich den Klub-Fußball ansieht, dann ist der geprägt durch hohe Laufleistung. Was mir oft ein wenig zu kurz kommt, ist die Kreativität. Die Fantasie des Spiels wird allzu oft der Vernunft geopfert. Dann sieht man Abwehrschlachten, Teams, die sich gegenseitig neutralisieren. Wenn man erfolgreich sein will, dann muss man natürlich gewisse Dinge beachten. Mir geht es um das gewisse Etwas.

Von Ihnen gibt es Lieder wie "Toni, lass es polstern", "Toni vor!" und "Der Letzte macht das Flutlicht aus". Seit Jahren ist es musikalisch still um sie geworden. Was ist da los?

Polster (lacht) Ich könnte, wenn ich wollte. Aber ich will gerade nicht. Entweder du magst Toni Polster oder nicht. Ich bin nicht der Typ, der zu einer Radiostation fährt und die Verantwortlichen umgarnt, bis mein Lied gespielt wird. Dann lass ich es lieber.

Werbeverträge, Auftritte in TV-Shows, Kolumnen - Sie leben nicht schlecht davon, Toni Polster zu sein, oder?

Polster Sie werden mich nicht klagen hören. Sehen Sie, ich mache alle Dinge, weil Sie mir Spaß machen.

Sie haben einmal zu Protokoll gegeben, Sie stünden bereit, wenn der 1. FC Köln Sie rufen würde. Hat jemals das Telefon geklingelt?

Polster Bisher hat sich aus Köln niemand gemeldet. Es ist und bleibt ein fantastisch toller Verein. Natürlich ist es mein Ziel, einmal ganz oben zu trainieren. Natürlich wäre es gigantisch, wenn ich dazu die Chance in der Bundesliga bekommen würde. Aber wenn es nicht klappt, bin ich trotzdem ein sehr glücklicher Mensch.

Ihre bisherigen Engagements als Trainer waren eher überschaubar. Seit 2014 arbeiten Sie beim SC Viktoria in der Wiener Stadtliga. Klingt so, als würden die großen Aufgaben in weiter Ferne liegen.

Polster Das Wichtigste ist doch: Ich bin zufrieden und glücklich. Ich bin kein Typ, der sich auf die Tribüne setzt, wenn es bei einem anderen Trainerkollegen sportlich bescheiden läuft. Das ist nicht mein Stil.

Und was wollen Sie auch in der Bundesliga? Da wird doch am Ende sowieso immer der FC Bayern München Meister.

Polster Das würde ich mir tatsächlich trotzdem ganz selbstlos antun (lacht). Man muss eben anerkennen, dass die Bayern sich einen Vorsprung erarbeitet haben. Ich denke aber schon, dass es Teams geben wird, die sie auch ärgern können.

GIANNI COSTA FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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