Team-Porträt: England "Three Lions" ohne Hoffnungen nach Brasilien

Düsseldorf · 48 years of hurt - und wohl noch einige Jahre mehr. Die englische Nationalmannschaft hat international den Anschluss verloren.

 Das Mutterland des Fußballs hat die WM schon im Vorfeld abgehakt.

Das Mutterland des Fußballs hat die WM schon im Vorfeld abgehakt.

Foto: dpa, Andy Rain

Jetzt soll also ein Seelenklempner helfen. Der renommierte Sportpsychologe Steve Peters hat Sir Chris Hoy in den Bahnrad-Olymp geführt, Snooker-Gott Ronnie O'Sullivan wiederbelebt und dem FC Liverpool das Sieger-Gen zurückgegeben - jetzt soll er Englands größtes Turniertrauma bewältigen: Diese verdammten Elfmeter mögen dem Glück des Fußball-Mutterlands nicht auch noch in Brasilien im Weg stehen.

Bei sechs der zehn Turnier-Teilnahmen seit 1990 scheiterten die Three Lions in den "bloody penalties" - das Ergebnis sind "48 years of hurt", 48 Jahre Leiden seit dem ersten und einzigen (WM-)Titel 1966.

Damals, das mag den Abergläubischen Hoffnung geben, war es auch ein Mr. Peters, der eine Schlüsselrolle spielte - Martin Peters, Stürmer von West Ham United, erzielte im Endspiel von Wembley das zwischenzeitliche 2:1 gegen die Deutschen. Dass Namensvetter Steve Peters ähnliche Wunder wirken kann, glauben längst nicht alle Engländer. Für die berüchtigte Yellow Press lag der Fall bereits ein gutes halbes Jahr vor der WM klar. Die Mannschaft von Teammanager Roy Hodgson, schrieb die Sun im November 2013, werde "im ersten Flieger sitzen, der Rio verlässt".

Die Gruppen-Auslosung beraubte viele um das letzte Fünkchen Optimismus. Wenn es blöd läuft, meinen manche, könne es am Zuckerhut bereits nach den Spielen gegen Italien (14. Juni) und Uruguay (19. Juni) vorbei sein, das Gruppenfinale gegen Außenseiter Costa Rica (24. Juni) verkäme dann zu einem Freundschaftsspiel.

"Es gibt bessere Mannschaften, als wir es sind. Wir gehören sicher nicht zu den Favoriten", sagt Kapitän Steven Gerrard. Die Band Lightning Seeds, die 1996 vor der Heim-EM "30 Jahre Leiden" besang, kann wohl schon einen Termin im Tonstudio für eine Neufassung ihres Klassikers vereinbaren.

Das sieht sogar die seriöse Presse so. Nach dem 0:1 gegen die DFB-Elf im vergangenen November, bei dem die Briten erstmals seit 1999 keinen einzigen Torschuss zustande brachten, schrieb der Guardian von einer "auffallend mittelmäßigen" Mannschaft, der echte Qualität fehle. Hodgsons Team, hieß es, sehe "viel verwundbarer" aus als dieser es sich eingestehen wolle.

Doch die Zweifel, betont der 66-Jährige eisern, "fechten mich nicht an". Worauf sich die Zuversicht des Trainers gründet, ist unklar. "Ich wünsche euch viel Glück für die WM", höhnte Morten Olsen nach der 0:1-Niederlage seiner Dänen im vergangenen März in London gegenüber der englischen Presse, "ihr könnt es sicher gebrauchen."

Während der deutsche Fußball aus der Vergangenheit seine Lehren gezogen hat und inzwischen wieder aus einem schier unerschöpflichen Talente-Pool schöpfen kann, tut sich auf der Insel in Sachen Nachwuchs wenig. Das ist auch ein Ergebnis der Politik der Klubs aus der Premier League, die - mit Ausnahme von Liverpool - zu oft auf teure Stars setzen und eigene Talente vernachlässigen.

In Alex Oxlade-Chamberlain hat sich kurz vor der WM einer der besten jungen Spieler am Knie verletzt. "Die Erwartungen sind nicht allzu hoch", sagt Spielführer Gerrard, "aber ich bin sicher, dass uns das helfen wird." Na dann.

(sid)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort