Kommentator Christian Straßburger über Katar „Vielleicht kann die WM in diesem Land etwas verändern“

Interview | Mönchengladbach/Doha · Der in Mönchengladbach aufgewachsene Christian Straßburger wird für MagentaTV die Weltmeisterschaft in Katar als Kommentator begleiten. Im Interview erzählt er, wie eine kritische Berichterstattung aussehen kann, was er der deutschen Mannschaft zutraut und wieso ein Boykott aus seiner Sicht keinen Sinn macht.

 Christian Straßburger kommentiert für MagentaTV die Weltmeisterschaft in Katar.

Christian Straßburger kommentiert für MagentaTV die Weltmeisterschaft in Katar.

Foto: Björn Kames

Mit einem großen Team aus Moderatoren, Kommentatoren und Experten wird MagentaTV (Telekom) alle 64 Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar zeigen. Teil des Kommentatoren-Teams ist dann auch der gebürtige Mönchengladbacher und Ex-Fohlenradio-Stimme Christian Straßburger.

Im Interview erzählt er, wie der Spagat zwischen kritischer und sportlicher Berichterstattung gelingen kann, was er der deutschen Mannschaft im Turnierverlauf zutraut und wieso ein WM-Boykott aus seiner Sicht keinen Sinn macht.

Herr Straßburger, Sie begleiten als Kommentator für MagentaTV die WM in Katar. Wie fielen die öffentlichen Reaktionen nach der Bekanntgabe aus?

Christian Straßburger Mir haben einige Leute geschrieben, dass Sie sich gefreut hätten, wenn ich das Turnier boykottieren würde. Es hielt sich aber insgesamt alles im Rahmen, ich habe jetzt keinen Wäschekorb voller Hassnachrichten erhalten – im Gegenteil. Der überwiegende Teil der Reaktionen war Zuspruch und Freude darüber, dass ich diese Chance bekomme.

Ein Boykott stand bei Ihnen also nicht zur Debatte?

Straßburger Nein, was hätte das zum jetzigen Zeitpunkt denn noch geändert? Das Turnier hätte niemals nach Katar vergeben werden dürfen und es wird vor dem Hintergrund der politischen Themen sicher eine kritische Begleitung geben. Wir haben Kolleginnen und Kollegen vor Ort, die das Geschehen genau beobachten. Ich denke, unser Fokus liegt auf dem Sport.

Wie kann dieser Spagat in der Berichterstattung gelingen?

Straßburger Wichtig ist, dass das ausgewogen passiert. Es gibt ausreichend Plattformen für die Berichterstattung über den Fußball hinaus. Und im Live-Spiel dominiert der Sport. Aber auch das wird eine Herausforderung - wie jedes Großereignis in kritischen Ländern eine Herausforderung für alle Reporter war.

Würden Sie sich wünschen, dass die Verantwortlichen des DFB vor der WM noch einmal ein deutliches Zeichen zur Lage in Katar setzen?

Straßburger Nach meinen Informationen hat der DFB viel dafür getan, um Glaubwürdigkeit im Umgang mit kritischen Themen zu erlangen oder sich zu informieren. Wichtig ist, dass diese Dinge mit Leben gefüllt werden, damit die kritische Haltung auch glaubhaft transportiert wird. Egal ob es nun eine Kapitänsbinde, ein Spruchband oder ein Trikot ist. Ich bin mir ganz sicher, dass wir während dieser WM viele Momente erleben werden, wo gerade die Spieler und Fans Zeichen setzen werden. Und zwar Zeichen, die von Herzen kommen und nicht künstlich zusammengezimmert wurden.

Wie sieht Ihre Vorbereitung auf diese besondere Herausforderung aus? Immerhin ist es Ihre erste Weltmeisterschaft als Kommentator.

Straßburger Noch bin ich ehrlich gesagt nicht im WM-Tunnel, da aktuell noch viele andere Projekte anstehen. Ich werde mich aber im Vorlauf intensiv und gewissenhaft mit der Gemengelage beschäftigen, um diesen Spagat zwischen kritischer und sportlicher Berichterstattung vermitteln zu können. Es wurde sehr viel auf die Missstände in Katar hingewiesen und der Finger in die Wunde gelegt. Vielleicht kann die WM in diesem Land etwas verändern, vielleicht sogar nachhaltig verbessern. Das zumindest ist mein Wunsch.

Sie werden die WM aus dem Studio in München begleiten. Wird das gesamte Team von MagentaTV in Deutschland sein?

Straßburger Nein, es werden natürlich auch Kollegen vor Ort sein - darunter Wolff Fuss und Thomas Wagner. Ich werde, wie schon mehrheitlich bei der vergangenen EM, in der Hauptsendezentrale in München sitzen, wo Johannes B. Kerner durch die Show leiten wird. Und beim Blick auf die gesamte Situation und die Lage in Katar bin ich auch nicht unglücklich, dass es so gemacht wird.

Bleibt aber beim Live-Kommentar nicht viel auf der Strecke, wenn der Kommentator nicht im Stadion ist?

Straßburger Natürlich ist es immer besser, selber im Stadion zu sitzen. Da sieht man Dinge, die am Bildschirm nicht gezeigt werden – auch wegen der Stimmung im Stadion ist es schöner vor Ort zu sein. Und bei anderen Voraussetzungen hätte ich mich auch gefreut, das Land und seine Leute kennenzulernen – die Atmosphäre vor Ort hautnah mitzubekommen. Es ist sehr schade, dass das nicht möglich ist. Dennoch hat die EM im vergangenen Jahr gezeigt, dass es auch so sehr gut funktioniert.

Welche und wie viele Spiele werden Sie bei Ihrem WM-Debüt als Kommentator für MagentaTV begleiten?

Straßburger Einen ganz genauen Plan gibt es noch nicht, aber es werden so etwa zehn Spiele bis zum Viertelfinale sein. Sicher ist zumindest schon, dass ich das Spiel Brasilien gegen Schweiz mit Lars Stindl als Co-Kommentator begleiten werde. Darauf freue ich mich sehr. Außerdem werde ich am dritten Gruppenspieltag, wenn wir bei Magenta die Konferenz der parallel laufenden Partien anbieten, als Host eingesetzt und gebe in die jeweiligen Stadien ab.

Deutschland trifft in der Gruppenphase auf Japan, Spanien und Costa Rica. Was trauen Sie der Mannschaft von Hansi Flick zu?

Straßburger Aktuell habe ich noch ein großes Fragezeichen vor mir. Deutschland hat sich in den letzten Jahren aus dem Favoritenkreis gespielt – weil Leistungen und Ergebnisse nicht gestimmt haben. Es könnte bereits nach der Vorrunde vorbei sein. Vielleicht findet das Team aber auch das oft beschworene Gen einer Turniermannschaft und das trägt dann durch diese WM. Dann traue ich der Mannschaft mit diesem klasse Trainer auch zu, bis ins Finale vorzustoßen. Das hat bei der WM 2002 vor 20 Jahren schon in einer ähnlichen Situation funktioniert.

In Japan und Südkorea war 2002 auch erst im Endspiel gegen Brasilien Schluss. Hätten Sie damals daran gedacht, dass Sie mal selber bei einer Weltmeisterschaft kommentieren würden?

Straßburger Vermutlich hätte ich mir vor 20 Jahren nicht vorstellen können, als ich nach der Pleite gegen Brasilien tränenreich den Fernseher ausgemacht habe, dass ich mal Kommentator bei einer WM sein werde. Daher löst dieses Gefühl in mir auch so eine Glückseligkeit und Überwältigung aus. Es ist in jedem Fall das größte Erlebnis in meiner bisherigen, beruflichen Laufbahn und ich bin allen dankbar, die mir das Vertrauen für diese Aufgabe schenken.

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