Niclas Füllkrug im Porträt Über viele Umwege zum ersten WM-Tor gegen Spanien
Düsseldorf · Gegen Spanien erzielte Niclas Füllkrug eines der wichtigsten Tore der jüngeren DFB-Geschichte. Doch, dass der Stürmer überhaupt einmal in der Nationalmannschaft spielt, war lange nicht absehbar. Vereinswechsel, Verletzungen und eine Suspendierung – die Karriere des Profis von Werder Bremen lief nicht immer gradlinig.

Das ist Niclas Füllkrug
Ein Schuss wie ein Strahl. Das erste WM-Tor. Plötzlich im Rampenlicht der internationalen Fußball-Welt. Spektakulärer hätte es für Niclas Füllkrug am Sonntagabend eigentlich gar nicht laufen können. Für ihn selbst war dieser Moment aber gar nicht so groß, wie es der Stürmer nach dem Remis gegen Spanien relativ lässig verlauten ließ. „Es ist ja nicht das erste Tor, das ich geschossen habe, auch nicht das erste wichtige“, sagte der Profi von Werder Bremen nach seinem 1:1-Ausgleichstreffer gegen Spanien.
Damit hat er natürlich recht. Tore hat Füllkrug schon einige geschossen. Für seinen Heimatverein TuS Ricklingen soll er in der F-Jugend ganze 162 Treffer alleine in einer Saison erzielt haben. Die Talentsucher vom VfL Wolfsburg, Borussia Mönchengladbach und sogar dem großen FC Bayern – sie alle sollen Schlange gestanden haben, um den damals 14-jährigen Füllkrug zu verpflichten. Am Ende entschied sich der Torjäger für das Fußballinternat von Werder Bremen.
Auch an der Weser netzte der gebürtiger Hannoveraner zuverlässig. In der B-Jugend der Grün-Weißen machte er mit 17 Toren aus 22 Spielen auf sich aufmerksam. In dieser Zeit debütierte Füllkrug auch für diverse deutsche Junioren-Nationalmannschaften. Sein damaliger Trainer Horst Hrubesch prophezeite schon zu dieser Zeit: „Niclas Füllkrug ist in der Zukunft eine Option für die A-Nationalmannschaft“. Mehr als zehn Jahre sollten vergehen, bis der Stürmer nun wirklich für die DFB-Auswahl nominiert und zum „Retter“ gegen Spanien wurde. Doch seine Karriere zwischen diesen zehn Jahren verlief alles andere als gradlinig.
Im Januar 2012 feierte Füllkrug zunächst sein Bundesliga-Debüt. Als er bei den Profis angekommen war, bekam er von Mitspieler Marko Arnautovic den Spitznamen „Lücke“ verpasst, bei dem es um die Lücke in seiner Zahnreihe, rechts von den Schneidezähnen geht. „Bei mir gibt es diesen Zahn einfach nicht“, sagte Füllkrug einmal.
Bei Werder Bremen schaffte „Lücke“ den Durchbruch zunächst aber nicht und musste einen weiten Umweg gehen: Fürth, Nürnberg, Hannover, zurück zu Werder. Immer wieder hatte Füllkrug mit Verletzungen zu kämpfen. Wenige Wochen nach seiner Rückkehr in Bremen zog er sich im Training einen Kreuzband- und Außenmeniskusriss am linken Knie zu. Es war bereits die vierte schwere Knieblessur in seiner Karriere.
Im Oktober 2021 stand Füllkrug bei Bremen vor dem Rauswurf, weil er sich nach einer 0:3-Pleite in Darmstadt mehrfach abfällig gegenüber Werders Lizenzspielerchef Clemens Fritz äußerte. Seinem Teamkollegen Marvin Ducksch drohte Füllkrug wenige Wochen später mit einer Ohrfeige. Und bei einer taktischen Einheit unter seinem ehemaligen Trainer Florian Kohfeldt zeigte der Stürmer so wenig Lust und Einsatzbereitschaft, sodass er vom Coach mit den Worten „Geh runter, wenn du keinen Bock hast" vom Platz geschickt wurde.
Wenn er sich mit einer Sache identifiziert, dann würde Füllkrug „relativ schnell an emotionale Limits und auch mal darüber hinaus“ gehen, erklärte Kohfeldt die emotionale Art von Füllkrug. Und diese Reibung scheint der 1,88 Meter große Angreifer auch zu brauchen, um erfolgreich Fußball zu spielen. In der aktuellen Saison ist er mit zehn Saisontoren der treffsicherste deutsche Stürmer der Bundesliga. Sein Wille und seine Gier brachten „Lücke“ nun auch ins Nationalteam und nach Katar. Der 29-Jährige ist neben Youssoufa Moukoko der einzige Spieler im deutschen WM-Aufgebot, der bei der Nominierung noch kein Länderspiel für die deutsche Nationalmannschaft vorzuweisen hatte.
Nicht nur, weil Füllkrug gegen Spanien im erst dritten Spiel für Deutschland bereits sein zweites Länderspieltor gelang, vereint er genau die Qualitäten, die einen echten Neuner auszeichnen. Seine Wucht, seine Kopfballstärke, seine Abschlussqualitäten und vor allem sein Selbstvertrauen brachten den Angreifer von Werder Bremen nun an den Punkt, dass es fast schon eine Überraschung wäre, wenn Füllkrug im letzten WM-Gruppenspiel am Donnerstag (20.00 Uhr/ARD und MagentaTV) gegen Costa Rica nicht seine Premiere in der deutschen Startelf feiern dürfte.