Am Donnerstag beginnt die WM in Brasilien Kommentar: Mehr als ein Fußballturnier

Düsseldorf · Viele Abiturienten in Nordrhein-Westfalen hatten zuletzt Gelegenheit, sich stundenlang mit Rio de Janeiro und seinen Problemen auseinanderzusetzen. In ihren Geographie-Klausuren beschäftigten sie sich mit dem enormen Bevölkerungswachstum der Stadt.

Schüler, die sich zuvor mit den Randerscheinungen der Weltmeisterschaft befasst hatten, besaßen einen Wettbewerbsvorteil. Denn die WM, die am Donnerstag in Sao Paulo beginnt und in gut vier Wochen mit dem Finale in Rio ihren Höhepunkt erlebt, hat den Fokus auf das soziale Gefälle in Brasilien, insbesondere in seinen Millionenstädten gelenkt.

Die Megaevents des Sports rücken Länder in den Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit — mit all ihren freundlichen und ihren sonst im Schatten verborgenen Seiten. Damit ist eine WM mehr als ein schnödes Fußballturnier, dessen Bedeutung an ein paar Kreidestrichen oder spätestens am Ausgang der Stadien endet.

Als Brasilien vor sieben Jahren den Zuschlag für seine zweite Weltmeisterschaft nach 1950 bekam, dachte fast jeder: Das wird ein Selbstläufer, das wird Karneval, ein Sommermärchen auf südamerikanische Art. Denn kein anderes Land lebt den Fußball mit solcher Intensität wie der nach Fläche und Einwohnern fünftgrößte Staat der Erde.

Für viele ist es überraschend, mit welcher Skepsis, mit welchem Widerstand viele Brasilianer der WM begegnen. Demonstrationen zeigen, dass selbst in Brasilien nicht jedem gleichsam das Lied "Fußball ist unser Leben" auf den Lippen liegt.

Wenn es um ordentliche Wohnverhältnisse, um Bildung und um die Versorgung von Kranken geht, ist Fußball doch nur die schönste Neben-Sache der Welt. Manchmal muss man sich das klarmachen. Vor allem an Tagen, an denen Weltfußballchef Sepp Blatter mal wieder abdreht und laut von interplanetarischen Turnieren träumt.

(RP)
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