Ukraine-Krieg und Missstände in Katar Die heile Fifa-Welt ist an Verlogenheit nicht zu überbieten

Meinung | Düsseldorf · Der russische Angriff auf die Ukraine, die Menschenrechtsvorwürfe gegen den Gastgeber Katar: In den Tagen rund um die WM-Auslosung lieferte der Fußball-Weltverband einen neuerlichen Beweis, dass seine Scheinheiligkeit keine Grenzen zu kennen scheint.

Bei der WM-Auslosung waren auch viele Nationaltrainer anwesend.

Bei der WM-Auslosung waren auch viele Nationaltrainer anwesend.

Foto: AP/Hussein Sayed

Wie die deutsche Vorrundengruppe bei der WM in Katar im Winter aussieht, steht also nun fest. Und wie die Gegner Spanien, Japan und entweder Costa Rica oder Neuseeland einzuschätzen sind, wird die Diskussion der kommenden Monate verlässlich bestimmen. Was aber von der Auslosung und insgesamt vom mehrtägigen Kongress des Weltfußballverbandes Fifa in Katar hängen bleibt, ist dessen „business as usual“. Und das ist frappierend. Schockierend. Beschämend.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine? Für die Fifa eher eine Randerscheinung beim Sich-Selbst-Feiern für die – na klar – beste WM aller Zeiten, die da in diesem Jahr ansteht. Die russischen Delegierten durften sogar teilnehmen am Kongress, einen Ausschluss hatte irgendwie niemand erwogen. Der ukrainische Verbandschef musste hingegen per Videobotschaft und in schusssicherer Weste aus seiner zerbombten Heimat zugeschaltet werden. Am geplanten Ablauf des Kongresses ändert das freilich nichts.

Fifa-Präsident Gianni Infantino rief in einem seiner Redebeiträge ganz generell zum Frieden in der Welt auf. Kostet ja nichts. Aber mehr? Konkreter? Ross und Reiter nennen? Ein Zeichen setzen? Fehlanzeige. Würde ja das Milliardengeschäft WM gefährden.

Was ist mit den Missständen in punkto Menschenrechten und Diversität in Katar, die in dieser Woche von Organisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch neuerlich angeprangert worden waren? Die Fifa-Oberen lächelten sie weg. Schwiegen sie weg. Der Fußball trage zur Verbesserung bei, hieß es. Aber hey: Ist eh alles super am Golf!

Als die norwegische Verbandspräsidentin Lise Klaveness am Donnerstag vom Rednerpult aus bewundernswerten Klartext redete und die WM-Vergabe an Katar inakzeptabel nannte, erntete sie böse Blicke, eisiges Schweigen und einen überheblichen Rüffel der Kataris. Ihr Folgeredner aus Honduras forderte, nicht über so etwas zu reden, sondern über Fußball. So klingt Regimetreue im Fifa-Reich.

Die deutschen WM-Gegner im Check
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Foto: dpa/Hassan Ammar

Um die ganze Sache mit dem „business as usual“ abzurunden, wurden übrigens auch keine Worte über den Iran verloren, der wiederholt keine Frauen ins Stadion gelassen hat. Das Zeigen von Regenbogenfahnen in WM-Stadien, nannte ein Sicherheitsbeamter gefährlich. Und der niederländische Ex-Profi und WM-Botschafter Ronald de Boer nannte die Kritik an Katar teils „völligen Blödsinn“. Alles mit gesundem Menschenverstand kaum zu fassen.

Immerhin muss man der Fifa eins lassen: In ihrer Verlogenheit, Scheinheiligkeit und Charakterlosigkeit ist sie, ist ihr Personal, dermaßen konsequent, dass es einem fast Respekt abnötigt. Aber nur fast. Dazu ist das Entsetzen am Ende doch zu groß.

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