Nach WM-Aus der DFB-Elf Demut ist ein deutsches Wort

Düsseldorf · Seit knapp zwei Wochen findet die Weltmeisterschaft ohne deutsche Beteiligung statt. Und, oh Wunder: Das ist kein Problem.

 Tristesse in der Kasan-Arena: Thomas Müller kann seine Enttäuschung über das WM-Aus nicht verbergen.

Tristesse in der Kasan-Arena: Thomas Müller kann seine Enttäuschung über das WM-Aus nicht verbergen.

Foto: AP/Thanassis Stavrakis

Ich habe nun knapp zwei Wochen Abstand. Gemeinsam mit einem geschlagenen Haufen von deutschen Nationalspielern bin ich in Frankfurt aus dem Flugzeug geklettert. Und während für die Fußballer die WM nun wirklich vorbei ist und sie sich allenfalls im Urlaub noch mit der Frage quälen müssen, wer denn nun wirklich schuld ist an diesem historischen Absturz, ist für mich die WM ziemlich unfallfrei weitergegangen.

Ich bin zwar nicht mehr live dabei, was niemand mehr als ich selbst bedauere, aber ich darf zumindest im Fernsehen anderen Mannschaften als der „unseren“ zusehen. Das ist in diesem Jahr alles andere als eine Zumutung. Es tut gut, weniger verwöhnte Jungs dafür zu bewundern, dass sie die fußballerischen Primärtugenden und spielerische Klasse zugleich auf den Platz bringen – also genau das, was die deutschen Fans vom Weltmeister erwartet hatten.

Dessen frühzeitige Heimreise hat hoffentlich eine heilende Wirkung. Beim Team, das vielleicht begreift, dass Talent eine Verpflichtung beinhaltet. Und beim Anhang, der nach fast eineinhalb Jahrzehnten durchgängiger Erfolge bei den großen Turnieren lernt, dass „wir“ eben nicht „die Nummer eins der Welt“ sind, wie es in seltsamen Sprechchören heißt. Beide Erfahrungen haben viel mit Demut zu tun.

Demut ist in diesen Tagen ein deutsches Gefühl. Auch das ist gut, weil wir doch dazu neigen, Erfolge für selbstverständlich zu halten. Ebenso selbstverständlich werden die Erfolge dann zu eigenen Erfolgen, für die Niederlagen sind andere, in diesem Fall eine Gruppe verwöhnter Altmeister, zuständig.

Andere Nationen sind nicht so verwöhnt, weder deren Fußballer noch deren Fans. Es gibt viele, die allein die Teilnahme an einer Weltmeisterschaft feiern. Australier zum Beispiel. In Moskau habe ich ein paar getroffen, die so aussahen, wie ihr Team spielt: groß und wuchtig. Sie trugen natürlich gelbe Trikots, damit sie nicht verwechselt werden konnten. Ich trug keins, das tu ich nicht mal im Dienst.

Als sie in Erfahrung gebracht hatten, dass ich aus Deutschland komme, waren sie mächtig beeindruckt. Offenkundig fiel der Glanz unserer Mannschaft auch auf mich – zu der Zeit wusste noch niemand, dass es sich um einen verblassenden Glanz handeln sollte. „Oh, Deutschland“, sagte einer voller Bewunderung, „da bleibt ihr ja noch ein paar Wochen. Wir haben unserem Flugkapitän gesagt, er soll die Maschine ruhig anlassen, wir kommen ja gleich zurück.“ Nun sind wir gemeinsam davongesegelt. Die Australier in der ihnen angestammten Bescheidenheit, die Deutschen voller Selbstzweifel.

Daheim vor den TV-Geräten gehören wir zu einer großen Gemeinde demütiger Fußballfans. Spanier, Argentinier, Portugiesen und natürlich Italiener und Holländer gehören dazu. Es werden pro Spieltag mehr. Das ist doch auch eine schöne Erfahrung. Und was noch besser ist: Sie hält bis zum Finale.

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