WM-Kolumne Cristiano Ronaldo im Zweikampf mit der Justiz

Köln · Cristiano Ronaldos Fähigkeiten auf dem Platz erscheinen zuweilen übermenschlich. Doch als Star im Wirtschafts-Geschäft Fußball bietet der Portugiese auch deutlichen Anlass zur Kritik.

 Cristiano Ronaldo ließ sich auf dem Platz von seiner Steueraffäre nicht beeindrucken.

Cristiano Ronaldo ließ sich auf dem Platz von seiner Steueraffäre nicht beeindrucken.

Foto: dpa/Manu Fernandez

Mein Gott, kann dieser Mann Fußball spielen! Beim Freistoßtor gegen Spanien muss er sich gefühlt haben wie Julius Cäsar: Veni, vidi, vici – ich kam, sah und traf. Zum Sieg hat es ja nicht ganz gereicht. Nur ganz wenige Topfußballer vermögen es, sich den Ball hinzulegen, für alle sichtbar höchste Konzentration walten zu lassen und das Ding mit beispielloser Präzision ins Netz zu zirkeln – und: genau dies vorher sicher zu wissen. Göttlich!

Göttlich? Schaltet man kurz den Fußballmodus ab, der sich während einer WM in den Köpfen im Dauerbetrieb befindet, mutet CR7 in Wirklichkeit recht weltlich an. Kurz vor dem Wochenende wurde bekannt, dass er der Steuerhinterziehung zu Lasten des spanischen Staates dringend verdächtig sein soll und deswegen – nicht rechtskräftig – verurteilt worden ist. Bewährungsstrafe, Geldstrafen und/oder Nachzahlung von 18 Millionen Euro stehen im Raum, weil dreistellige Millionenbeträge – ironischerweise wegen der Vermarktung seiner Persönlichkeit – am spanischen Fiskus vorbeigeschleust worden seien. Wenn die Vorwürfe zutreffend sind: Muss das nicht der Todesstoß für einen Athleten in der Arena sein, der sich und seine unvorstellbaren Einnahmen über sein Ansehen bei den Fans definiert? Was treibt einen Mann, der finanziell mehr als ausreichend ausgestattet ist, an, der Leidensgenossenschaft der Steuerzahler seinen Beitrag zum eigenen Vorteil vorzuenthalten? In welchem Licht lässt dies seine lobenswerten Sozialprojekte erscheinen?

WM 2018: Presse feiert Cristiano Ronaldo - Ronaldo ist einfach nur brutal, wenn er hungrig ist“
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„Ronaldo ist einfach nur brutal, wenn er hungrig ist“

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Foto: dpa/Frank Augstein

Es ist nicht das erste Mal, dass gegen „göttliche“ Fußballer sehr weltliche strafrechtliche Vorwürfe im Raum stehen. Gleiches gilt auch für Fußballfunktionäre, deren Verwaltungswirken freilich niemand als „göttlich“ bezeichnen würde, die sich selbst aber sicherlich als höher gestellte Akteure in den oberen Etagen des Fußballolymps verstanden haben.

Wir Fußballliebhaber sind bereit, den Fußballakteuren einiges zu verzeihen. Bei CR7 wird sein unbestritten geniales Fußballspiel stets im Vordergrund stehen, bei in Frankfurt angeschuldigten DFB-Funktionären die Lebensleistung, das Sommermärchen 2006 nach Deutschland geholt zu haben. Dass wir uns hier sehr großzügig und bigott verhalten, hat seinen Ursprung im Fußballspiel selbst. Es gibt kein anderes Spiel, das es geschafft hat, seine Akteure und Fans derart in seinen Bann zu ziehen. Für den Heimsieg gefährden wir Freundschaften. Um mit unseren Jungs beim Bier alle WM-Spiele auf der Terrasse sehen zu können, strapazieren wir unsere Ehe. Für unsere Protagonisten drücken wir vielleicht sogar bei Straftaten ein Auge zu.

Cristiano Ronaldo – Weltfußballer, Europameister, Torjäger
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Das ist Cristiano Ronaldo

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Foto: AFP/-

Bei einem so mächtigen Spiel müssen wir auf uns selbst gut achtgeben: Wir müssen an jedem Tag (insbesondere an jedem Tag einer Weltmeisterschaft) die sprichwörtliche Kirche zurück ins Dorf holen. Durch seine Ausstrahlung und seine Präsenz ist der Fußball möglicherweise von der schönsten Nebensache der Welt zumindest emotional zu einer Hauptsache geworden. Das ist gefährlich, weil große emotionale Nähe zum Verlust der Fähigkeit führt, distanziert und objektiv entscheiden zu können. Dabei bedürfen viele Protagonisten im Wirtschaftsbetrieb Fußball auch immer eines kritischen Blicks.

Gerade geht‘s aber nicht: Das nächste Spiel fängt an!

Unser Autor ist Vorsitzender Richter am Landgericht Köln und Beisitzer des DFB-Bundesgerichts. Er gilt hierzulande als einer der renommiertesten Sportrechtsexperten.

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