Fußball-WM 1998 in Frankreich Frankreich liegt Zizou zu Füßen

Paris (RPO). Frankreich im Freudentaumel - das für unmöglich Gehaltene war geschehen: Die Franzosen krönten sich 1998 bei ihrer WM erstmals zum Fußball-Weltmeister. Kurz nach dem 3:0-Endspieltriumph der Gastgeber im futuristischen Stade de France von St. Denis vor den Toren von Paris gegen den schwer gedemütigten Titelverteidiger Brasilien überschwemmte eine Millionenschar die Prachtstraße Champs Elysees in der französischen Metropole.

Karembeu vereint Weltmeister von 1998
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U-Bahnen wurden schon Kilometer vorher gestoppt, weil aus den Ausgängen in der Nähe der ausgelassenen Fröhlichkeit niemand mehr herausgekommen wäre. An diesem 12. Juli 1998 war die Grande Nation wirklich wieder einmal groß.

Nachdem Frankreich Mitbegründer des Weltverbandes Fifa gewesen war, Jules Rimet die Austragung von WM-Turnieren vehement betrieben hatte, die Franzosen auch den Europapokal erfunden hatten und die Equipe Tricolore in den WM-Halbfinals 1982 und 1986 gescheitert war, konnte das ganze Land endlich den ganz großen Coup bejubeln.

Zumal die Franzosen den großen Favoriten Brasilien geradezu erniedrigten. Einen Favoriten, bei dem sich alles um einen einzigen Weltstar drehte: Ronaldo. Geblieben sind davon nur Debatten um seine dubiose Blitzheilung vor dem Endspiel, in dem Ronaldo nur ein Schatten seiner selbst war, und um die Frage, ob Brasiliens Sponsor (Nike) seinen Einsatz angeordnet hat oder nicht.

Erstmals wurde nach dem Finale der Einfluss der Sponsoren auf den Sport sehr kritisch diskutiert. Auch das hat France 98 gebracht. Zurück zu den Franzosen: Zinedine Zidane, nach einem Tritt auf einen am Boden liegenden Gegner im Vorrundenspiel gegen Saudi-Arabien noch fast geächtet, avancierte durch seine beiden Kopfballtore (!) im Finale zum Volkshelden.

Ganz Frankreich lag Zizou zu Füßen. Er - algerische Vorfahren - Marcel Desailly und Torhüter Fabien Barthez, Abwehrchef Laurent Blanc und Kapitän Didier Deschamps waren auch die Symbole für den anderen Grund, weshalb Frankreich sich nach diesem WM-Triumph die "Grande" Nation nennen durfte: Der Titelgewinn schweißte eine Gesellschaft zusammen, die in multikulturelle Einzelteile zu zerfallen drohte mit all den Gefahren, die daraus erwachsen.

Bei der WM haben "black, blanc, beur", wie die Franzosen sagen (Schwarze, Weiße und Araber) nicht nur gesehen, sondern erlebt, dass es gemeinsam besser geht.

Und wo landete die deutsche Auswahl? Beim 0:3 gegen die Kroaten scheiterte zum zweiten Mal bei einer WM in Folge unter dem Trainer Berti Vogts eine deutsche Nationalmannschaft bereits im Viertelfinale. Nicht zu den besten Vieren der Welt zu gehören, war nach dem Krieg nur den Teams von 1962 und 1978 widerfahren.

Dunkles Kapitel

Die doppelte Schmach ertrug die deutsche Öffentlichkeit nicht. Beim radikalen Neuaufbau im Stich gelassen, warf Berti Vogts im September 1998 nach zwei Länderspielen auf Malta das Handtuch. Das deutsche 2:2 gegen Jugoslawien in der Vorrunde in Lens war auch eines der dunkelsten Kapitel in der WM-Gechichte.

Deutsche Hooligans prügelten nach dem Spiel den Gendarmen Daniel Nivel fast zu Tode; er trug unheilbare Schäden davon. Unter dem Schock der sinnlosen Gewalt erwog der damalige DFB-Präsident Egidius Braun im ersten Moment sogar, die Mannschaft vom Turnier zurückzuziehen. Die Täter wurden identifiziert und zu Haftstrafen verurteilt.

Zu einem handfesten Skandal entwickelte sich der auch vom Weltverband Fifa autorisierte Kartenverkauf der Franzosen. Tausenden von Fans waren durch windige Unternehmer teure Reise-Abonnements verkauft worden, doch am Ende standen die Fans ohne Tickets da. Die Suche nach den Schuldigen verlief im Sande; die geprellten, teilweise bis aus Südamerika oder Japan und Südkorea angereisten WM-Touristen sahen die Spiele allenfalls auf Großleinwänden.

(SID/chk)
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