Analyse der WM-Gruppe G Genügend "Glück" und nicht zu viel "Hammer" für Deutschland

Costa do Sauipe · Joachim Löw hatte die deutsche WM-Gruppe bereits eingeordnet, bevor sie überhaupt feststand. Sein Tenor im Vorfeld der Auslosung: Leicht gibt es sowieso nicht, Herausforderungen können nicht schaden. Die Gegner Portugal, Ghana und die USA gehen genau in diese Richtung.

Joachim Löw spaziert nach Auslosung am Strand
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Anpfiff und Abpfiff eines Fußballspiels gleichen irgendwie einem Verwaltungsakt. Sie markieren das Sportliche, auf das es unterm Strich ankommt. Aber gerade bei einer Weltmeisterschaft zählt einiges mehr, die ganzen Geschichten davor und dahinter. Egal, worauf man sich zuerst konzentiert, lässt sich nach der WM-Auslosung im brasilianischen Costa do Sauipe sagen: Für die deutsche Nationalmannschaft wird es im kommenden Jahr schon in der Vorrunde äußerst interessant.

Aus sportlicher Sicht sind da in Gruppe G zunächst einmal die drei Gegner Portugal, Ghana und die USA. So eine Auslosungs-Einschätzung liebt Superlative. Doch diese Konstellation hört weder auf den Namen "Hammergruppe" noch auf die Bezeichnung "Glücksfall". Die DFB-Elf trifft auf Mannschaften, gegen die leichte Schwierigkeiten keine Sensation wären. Dennoch gibt es keinen Grund, das historische erste Scheitern in einer WM-Vorrunde überhaupt ins Kalkül zu ziehen.

Analyse der acht Vorrunden-Gruppen
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Gruppe G reiht sich ein zwischen Vierer-Konstellation wie Spanien, Niederlande, Chile und Australien in Gruppe B (Hammer!) auf der einen sowie Schweiz, Ecuador, Honduras und Frankreich in Gruppe E (nicht so Hammer!) auf der anderen Seite des Spektrums. "Ich akzeptiere es so, wie es ist. Wir wissen jetzt, gegen wen wir spielen und wo wir spielen", fasste Löw die deutschen Lose dann auch nüchtern zusammen.

Die unmittelbaren Reaktionen des 53-Jährigen verrieten da schon mehr. Als die USA aus dem Lostopf gefischt wurden und das Wiedersehen mit Vorgänger Jürgen Klinsmann perfekt war, huschte Löw ein Lächeln der Marke "ausgerechnet" über sein Gesicht. "Auch Ghana hatten wir bei der WM 2010 in der Gruppe und 2012 im ersten EM-Gruppenspiel Portugal. Wir treffen also auf alte Bekannte", nannte Löw weitere Gründe, warum Gruppe G spannend ist. "Die USA in der Gruppe zu haben, ist aber schon was ganz Besonderes." Schließlich ist Klinsmann mit seinen Reformen der Jahre 2004 bis 2006 nicht ganz unbeteiligt daran, dass die deutsche Nationalmannschaft entspannt auf ihre Gegner im Juni 2014 schauen kann.

Ronaldo überstrahlt Portugal

Wie schon bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine wird Deutschland gegen Portugal ins Turnier starten. Unter Umständen steht dann der aktuelle Weltfußballer in der Startelf des Gegners. Cristiano Ronaldo liefert vor diesem Duell im Alleingang die Schlagzeilen. Da er in einer Mannschaft, die mit der "Goldenen Generation" eines Luis Figo nicht mehr mithalten kann, auch auf dem Platz alles überstrahlt, ist Portugal ein schwerer, aber machbarer Auftaktgegner am 16. Juni in Salvador da Bahia. In den Quali-Play-offs erzielte Ronaldo bei den 1:0- und 3:2-Erfolgen gegen Schweden alle vier Tore für Portugal.

Im zweiten Gruppenspiel tummeln sich die Story-Lieferanten auf beiden Seiten. Wie schon 2010 wird es das Halbbruder-Duell zwischen Jerome und Kevin-Prince Boateng geben. Letzterer feierte das Los auch gleich auf Twitter. "Es wird wieder Zeit", schrieb der Schalker Bundesligaprofi, "so schön ist das Leben!" Aus sportlicher Sicht kommt es dem Löw-Team gelegen, dass Ghana nach dem Spiel in Johannesburg 2010 bekannt ist. Im Vergleich zu damals — mit dem drohenden Vorrunden-Aus im Nacken — dürfte es am 21. Juni in Fortaleza etwas entspannter zugehen.

Wie ernst das abschließende Duell mit Klinsmanns US-Amerikanern wird, ist noch nicht abzusehen. Im besten Fall blickt Deutschland gegen einen starken Gegner schon aufs Achtelfinale. Mögliche Gegner sind Belgien, Russland, Algerien und Südkorea. Ein Endspiel ums Weiterkommen wäre dann mindestens unangenehm. Die 3:4-Niederlage im Rahmen der sommerlichen USA-Reise kann jedoch kein Gradmesser sein, allenfalls ein Warnschuss.

Reiseglück und Hitzeschlachten

"Manchmal ist es auch ein Vorteil, wenn du von Anfang an gleich in dem Turnier voll drin bist und die Konzentration hochfährst", hatte Löw vor der Auslosung halbwegs prophetisch gesagt. "Anders als vor acht oder zwölf Jahren macht man sich keine Illusionen mehr, dass man in der WM-Vorrunde zwei oder sogar drei relativ einfache Gegner bekommen könnte." Damit hatte er die deutsche Gruppe G bereits eingeordnet, bevor sie überhaupt feststand.

In einem unsichtbaren fünften Topf hatten wirkliche Angstgegner gedroht: das Wetter und die Reisestrapazen. Was für das Sportliche in Gruppe G gilt, trifft auch in dieser Hinsicht zu: nicht leicht, aber machbar. Die drei deutschen Spielorte Salvador, Fortaleza und Recife liegen relativ gebündelt im Nordosten Brasiliens. Löw, Manager Oliver Bierhoff und Co. sollten ein Quartier in nicht allzu großer Entfernung auf dem Zettel haben. Anstoßzeiten um 13 Uhr Ortszeit (Portugal), 16 Uhr (Ghana) und 13 Uhr (USA) versprechen dagegen Hitzeschlachten. Da die Nationalmannschaft einem südamerikanischen Team aus dem Weg gehen kann, besitzt jedoch niemand einen echten Heimvorteil.

Ein halbes Jahr vor dem ersten Anpfiff weckt das Bekanntentreffen schon jetzt Vorfreude. Und vor dem Abpfiff sollte gegen Portugal, Ghana und die USA niemandem bange sein, obwohl die deutsche Nationalmannschaft nur in einer Hinsicht echtes Glück gehabt hat: Gruppe G sieht richtig gut aus.

(sor)
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